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Die Letzten ihrer Art 01 - Der letzte Elf

Die Letzten ihrer Art 01 - Der letzte Elf

Titel: Die Letzten ihrer Art 01 - Der letzte Elf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvana de Mari
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müssen es nun irgendwie mit dem Drachen aufnehmen.«
    »Er braucht ja nicht viel zu tun, um uns in Stücke zu reißen. Es genügt, dass er uns einmal antippt.«
    Die Frau hörte nicht auf ihn. Sie wandte sich wieder zum Tor und diesmal schlug sie die Elfenaxt hinein. Holzsplitter flogen in alle Richtungen. »He du«, schrie sie wieder, »ich rede mit dir!«
    Das Tor ging auf, aber dieses Mal nur wenige Handbreit.
    »Vermessene...«, begann der Drache.
    »Du wusstest etwas von der Prophezeiung, stimmt’s?«
    »Etwas drang wohl an mein Ohr«, bekannte der Drache vage, »doch ist dies ohn’ Belang.«
    »Hast du Angst?«, fragte die Frau. »Gibt es etwas an unserem Kommen, was dir Angst macht, was dich in Gefahr bringt? Etwas, was wir nicht wissen? Es ist zu merkwürdig, weil du warst kein bisschen neugierig...«
    »Dass du neugierig bist«, korrigierte der Kleine.
    Böse funkelte die Frau ihn an.
    »Es ist zu merkwürdig, dass du kein bisschen neugierig bist . Ist das die berühmte Gastfreundschaft der Drachen? Du hast uns nicht einmal gebeten einzutreten.«
    »Das ehrwürdige Alter«, begann der Drache sich zu rechtfertigen, »die Schmerzen, welche die Knochen meiner Füße plagen...«
    »Hab keine Angst«, sagte die Frau.
    »Keine Angst haben«, schnaubte der Jäger. »Vor wem denn?
    Vor uns? Er braucht nur einmal zu husten und wir rösten in der Glut wie Maiskolben.«
    Langes Schweigen.
    »Aber begreift ihr denn nicht? Er ist alt, müde, einsam und hat keine Macht mehr. Er ist es, der Angst vor uns hat. Ist es denn möglich, dass ihr nie etwas begreift?« Die Frau war wirklich außer sich. »Hab keine Angst«, sagte sie noch einmal zu dem alten Drachen.
    Wieder langes Schweigen. Das einzige Geräusch kam von dem Wasserfall in der Ferne.
    Dann begann der Drache zu weinen. Es war ein lang anhaltendes, krampfhaftes Schluchzen, das dann in ein Winseln überging wie bei einem verschreckten Welpen.
    »Langsam wird mir klar, warum die Drachen ausgestorben sind«, schnaubte Monser. Nur um ein Haar konnte er einem Tritt gegen sein Schienbein ausweichen und endlich ging das Tor wieder ganz auf.
     
     
    Der Raum war enorm groß. Zwischen Stalaktiten und Stalagmiten hingen dichte Schleier von Spinnweben, das goldene Licht, das durch die Fenster hereindrang, fing sich in ihnen und ließ alles wie verzaubert aussehen. Überall waberten dichte Dampfschwaden, es war drückend heiß und goldfarbene Bohnenpflanzen wucherten üppig am Boden und rankten sich an den Wänden hinauf. Weiter hinten gab es unzählige weitere Öffnungen, durch diese gelangten sie in andere Säle, die ebenfalls von dichten Spinnwebschleiern durchzogen waren, darüber wogte, inmitten der prall gefüllten Bohnenschoten, der Dampf.
    »Woher kommt dieser Dampf?«, fragte der kleine Elf.
    Die Klagen des Drachen wurden heftiger und lauter, bei den schrilleren Tönen begannen die Stalaktiten, merklich zu erzittern. Der Jäger begann sich besorgt umzusehen, und zum ersten Mal, seitdem sie in die Grotte eingetreten waren, schien auch die Frau beunruhigt. Der Hund löste das Problem: Er lief zum Drachen und leckte ihn leise winselnd, wie Hunde das tun, wenn sie jemanden trösten wollen. Der Drache hörte auf zu weinen. Er hob den Kopf und tauschte einen langen Blick mit dem Hund. Der Hund wedelte. Der Drache beruhigte sich. Er atmete wieder normal. Die Stalaktiten hörten auf zu zittern.
    Verlässlich, anhänglich, beständig. Immer wenn man ihn brauchte, war er zur Stelle. Treu: Das war zweifellos der perfekte Name für den Hund.
    Der kleine Elf fing an, herumzulaufen und sich umzusehen. Es war wirklich alles so außergewöhnlich. Der Drache war riesig, seine Schuppen bildeten prächtige, verschlungene Muster in Rosa und Gold, die jedoch an einigen Stellen abgewetzt, an anderen Stellen grau geworden waren. Etliche Schuppen fehlten, waren abgerissen, und die Wunden waren mit tiefen Schrunden verheilt, in die bequem eine Hand hineinpasste. An den Pfoten hatte er Klauen, die enorm gewesen sein mussten, jetzt aber flach und abgenutzt waren. Der Kopf des Drachen ruhte auf den Vorderpfoten, und wenn er ihn hob, lief ein leises Zittern hindurch.
    Er war alt.
    Ein armes Geschöpf, das keine Kraft mehr hatte.
    Die Frau hatte recht!
    Yorsch lief weiter herum. Er war in den hintersten Teil der goldenen Höhle gelangt.
    Was er da sah, verschlug ihm den Atem. In der Tiefe lag ein kolossaler Krater, aus dem mit irrwitziger Geschwindigkeit dichter Dampf aufstieg, und zwar zu der

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