Die letzten ihrer Art
Zeit waren es noch über vierzig Arten. Gut die Hälfte ist ausgestorben. Und das sind nur die Makis. Praktisch alles, was hier im Regenwald von Madagaskar lebt, existiert sonst nirgendwo auf der Welt – und ist nur ein Zehntel von dem, was mal da war. Und das ist nur Madagaskar. Warst du mal auf dem afrikanischen Festland?«
»Nein.«
»Eine Art nach der anderen verabschiedet sich. Und zwar von den Hauptarten. Es gibt nur noch knapp zwanzig weiße Nashörner, und um die ist ein erbitterter Kampf mit den Wilderern ausgebrochen. Die leben in Zaire. Oder nimm die Berggorillas – obwohl sie zu den engsten lebenden Verwandten des Menschen gehören, haben wir sie in diesem Jahrhundert fast vollständig ausgerottet. Aber das passiert überall, auf der ganzen Welt. Hast du schon mal was vom Kakapo gehört?«
»Vom was?«
»Vom Kakapo. Das ist der größte, dickste und flugunfähigste Papagei der Welt. Lebt in Neuseeland. Ist der seltsamste Vogel, den ich kenne, und wird wahrscheinlich genauso berühmt wie der Dodo, falls er ausstirbt.«
»Wie viele gibt's denn noch von denen?«
»Vierzig, Tendenz fallend. Kennst du den Yangtse-Delphin?«
»Nein.«
»Die Drachenechse von Komodo? Den Rodrigues-Flederhund?«
»Moment mal, Moment mal«, sagte ich. Ich ging in die Hütte, wühlte in den Ameisen herum und zog eine der meistgerühmten Errungenschaften des Affen heraus. Diese Errungenschaft bestand aus einem Haufen zu Brei gestampfter und anschließend zu Zetteln plattgeklopfter Zweige, die von etwas zusammengehalten wurden, das vorher eine Kuh zusammengehalten hatte. Ich nahm meinen Terminkalender mit nach draußen und blätterte ihn durch, während die Sonnenstrahlen durch die Bäume hinter mir fielen, in denen einige der Raufbolde unter den Lemuren sich irgendwas zugrölten.
»Tja«, sagte ich und nahm wieder auf der Stufe Platz. »Ich muß zwar noch ein paar Romane schreiben, aber, äh, hast du 1988 schon was vor?«
Hier Hühner
Das erste Tier, nach dem wir uns drei Jahre später auf die Suche machten, war die Drachenechse von Komodo. Wie bei den meisten Tieren, die wir uns ansehen wollten, handelte es sich dabei um ein Tier, über das ich nur sehr wenig wußte. Und das wenige, wovon ich wußte, war nicht gerade liebenswert.
Sie sind Menschenfresser.
Das ist an sich noch nicht so schlimm. Auch Löwen und Tiger sind Menschenfresser, und obwohl wir ihnen gegenüber höchst mißtrauisch sind und sie mit ängstlichem Respekt behandeln, bewundern wir sie doch instinktiv. Wir wollen zwar nicht von ihnen gefressen werden, aber die Idee als solche verübeln wir ihnen nicht. Was vermutlich daran liegt, daß wir wie sie Säugetiere sind. Es scheint hier so etwas wie ein erzkonservatives Vorurteil gegenüber anderen Arten am Werk zu sein: ein Löwe ist einer von uns, aber eine Echse nicht. Das gleiche gilt übrigens auch für Fische und erklärt unsere wahnwitzige Angst vor Haien.
Außerdem sind die Echsen von Komodo groß. Sehr groß. Zur Zeit lebt eine auf Komodo, die fast vier Meter lang und im Stehen knapp einen Meter hoch ist, was einem unwillkürlich als völlig unpassende Größe für eine Echse erscheint, vor allem, wenn sie ein Menschenfresser ist und man beabsichtigt, sich auf derselben Insel wie sie aufzuhalten.
Obwohl sie Menschenfresser sind, fressen sie nur selten Menschen, sondern ernähren sich größtenteils von Ziegen, Schweinen, Wild und ähnlichen Tieren, die sie jedoch nur töten, wenn sie nichts bereits Totes finden, weil sie im Grunde ihres Herzens Aasfresser sind. Sie mögen ihr Fleisch am liebsten verdorben und stinkend. Wir mögen unser Fleisch am liebsten anders und neigen dazu, Viechern mit solchen Geschmacksvorstellungen nicht über den Weg zu trauen. Was diese Echsen anging, traute ich ihnen überhaupt nicht über den Weg.
Mark hatte während der vergangenen drei Jahre viel Zeit damit zugebracht, unsere bevorstehenden Expeditionen zu planen, zu recherchieren, Briefe zu schreiben, zu telefonieren und vor allem Naturforschern zu telexen, die sich in den entlegensten Teilen der Welt aufhielten, sowie Reiserouten zu erarbeiten, Empfehlungen und Karten zu beschaffen. Außerdem hatte er sämtliche Visa, Flüge, Schiffspassagen und Unterkünfte organisiert und sie zu guter Letzt noch einmal von vorn organisieren müssen, als sich herausstellte, daß ich mit meinen beiden Romanen nicht fristgerecht fertig würde.
Schließlich war auch das erledigt. Ich ließ mein Haus in der Obhut von Bauarbeitern zurück, die
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