Die letzten ihrer Art
und das Gift wandert direkt in die Blutbahn. Immer vorausgesetzt, Sie bekommen viel von dem Gift heraus, was Ihnen vermutlich nicht gelingt. Und auf einer Insel wie Komodo heißt das, daß Sie sehr schnell sowohl mit einer infizierten Wunde als auch mit einem giftgefüllten Bein zu kämpfen haben. Blutvergiftung, Wundbrand, was Sie wollen. Sie würden es nicht überleben.«
»Wie wär's mit einer Aderpresse?«
»Wunderbar, solange es Ihnen nichts ausmacht, sich nachher das Bein abnehmen zu lassen. Das müßten Sie allerdings, weil es nämlich abgestorben wäre. Und falls Sie es in diesem Teil Indonesiens irgend jemandem zutrauen, Ihnen ein Bein abzunehmen, sind Sie bedeutend mutiger als ich. Nein, es sieht so aus: Alles, was Sie tun können, ist, einen Druckverband genau über der Wunde anzubringen und das gesamte Bein fest, aber nicht zu fest, zu bandagieren. Verlangsamen Sie den Blutstrom, aber schnüren sie ihn nicht ab, wenn Sie an ihrem Bein hängen. Halten Sie das Bein oder jedes andere Körperteil, in das sie gebissen wurden, unterhalb von Herz- und Kopfhöhe. Verhalten Sie sich sehr, sehr ruhig, atmen Sie langsam, und rufen Sie sofort einen Arzt. Auf den werden Sie auf Komodo einige Tage warten müssen, und bis dahin sind Sie sowieso tot.
Die einzige Antwort ist, und das meine ich ernst: Lassen Sie sich nicht beißen . Warum sollten Sie? Sämtliche Schlangen gehen Ihnen aus dem Weg, noch bevor Sie sie zu Gesicht bekommen. Solange Sie vorsichtig sind, müssen Sie sich wegen der Schlangen wirklich keine Sorgen machen. Nein, was Sie allerdings tatsächlich beunruhigen sollte, sind die Meeresbewohner.«
»Was?«
»Seeskorpione, Steinfische, Wasserschlangen. Wesentlich giftiger als das, was an Land lebt. Wenn Sie sich von einem Steinfisch stechen lassen, werden Sie schon vor Schmerz umkommen. Manche Leute ertränken sich, nur um die Qualen zu beenden.«
»Und wo sind diese ganzen Dinger?«
»Im Wasser. Tonnenweise. Würde an Ihrer Stelle nicht zu dicht rangehen. Alles gerammelt voll mit giftigen Tieren. Ich hasse das Zeug.«
»Gibt es irgend etwas, was Sie mögen?«
»Hydrokulturen.«
»Nein, ich meine, gibt es irgendein giftiges Lebewesen, das Sie besonders gern haben?«
Für einen Augenblick sah er aus dem Fenster. »Gab's mal«, sagte er. »Aber sie hat mich verlassen.«
Wir flogen nach Bali.
David Attenborough hat Bali als den schönsten Ort auf Erden bezeichnet, muß aber länger als wir dagewesen sein oder andere Ecken gesehen haben, denn das meiste von dem, was wir während der Vorbereitungen zur Weiterreise dort zu Gesicht bekamen, war gräßlich. Gesehen haben wir nur den Tourismussektor, also jenen Teil, der im Interesse der Menschen, die von weither wegen der Schönheit der Insel nach Bali anreisen, fast genauso aussieht wie überall auf der Welt.
Die engen, matschigen Straßen von Kuta waren gesäumt von Souvenirläden und Hamburgerständen und bevölkert von Massen betrunkener, grölender Touristen, Kamikaze-Motorradfahrern, Verkäufern gefälschter Uhren und kleinen Hunden. Die Kamikaze-Motorradfahrer versuchten, die Touristen und die kleinen Hunde von der Straße zu fegen, während der Kleinbus, in dem wir unsere Koffer für den Großteil des Abends von einem vollen Hotel zum nächsten vollen Hotel beförderten, mit Videospiel-Geschwindigkeit durch die Uhrenverkäufer und Kamikazefahrer raste. Irgendwo, nicht weit von diesem Ort entfernt, in Richtung Inselmitte, mochte sich der Himmel auf Erden verstecken, aber vor die Tore zu diesem Paradies hatte die Hölle einen Haufen Arbeit gestellt.
Die Touristen mit ihren Bierdosen und ihren »Fuck-Off«-T-Shirts mußten jedem ein vertrautes Bild sein, der Engländer in Spanien oder Griechenland im Einsatz erlebt hat, aber mir ging beim Betrachten dieser Szenen plötzlich auf, daß ich mich ausnahmsweise nicht in Grund und Boden schämen mußte. Es waren keine Engländer. Es waren Australier.
Andererseits war die Ähnlichkeit so groß, daß sie mich ins Grübeln über konvergierende Evolution brachte – einen Begriff, den ich vor weiteren Ausführungen besser kurz erkläre.
Frappierend ähnliche, trotzdem ganz und gar nicht miteinander verwandte Lebensformen entwickeln sich aufgrund gleicher Lebensbedingungen in verschiedenen Erdteilen. Beispielsweise verfügt das Aye-Aye, der Lemur, den Mark und ich bei unserer ersten Reise nach Madagaskar aufgespürt hatten, über einen besonders bemerkenswerten Körperteil. Sein Mittelfinger ist bedeutend länger als die
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