Die letzten Monate der DDR: die Regierung de Maizière und ihr Weg zur deutschen Einheit
Beispiel gewesen, das ich in der Zeit erlebt habe.«
Christa Schmidt, Ministerin für Familie und Frauen
Eberhard Stief, Staatssekretär im
Innenministerium
Es ist auch schwierig mit der Sprache: »Wir haben manchmal lachend festgestellt, dass wir wirklich beide dasselbe gemeint haben und es aber völlig unterschiedlich ausgedrückt haben. Oder aber, dass wir beide dasselbe gesagt haben, aber bei jedem ein ganz anderer Inhalt dahinter war. Gewiss, es war für beide Teile sehr schwer, aber uns zu verstehen, darum haben sie sich zu wenig bemüht.«
Eberhard Stief, Staatssekretär in Diestels Innenministerium, erinnert sich an viele Missverständnisse. Obwohl bei Verhandlungen beide Seiten Deutsch sprechen, hat er oft den Eindruck, dass der Partner chinesisch spricht. »Das waren Begrifflichkeiten, die wir nicht kannten. Und es hat so viele Sachverhalte gegeben, die die west deutsche Seite nicht kannte. Was Zusammenhänge, was Zusammenwirkensmechanismen, was Einrichtungen betraf, ob das jetzt die Akademie der Wissenschaften war oder ob das einzelne Hochschulen betraf, unsere Leute hatten die Kenntnis, was dort gemacht wurde. Die westdeutsche Seite hatte diese Kenntnis nicht. Da ging es nur um die Einrichtungen an sich. Dass es aber dort auch Forschungsgegenstände gibt, mit denen man sich nicht verstecken musste, was die Ergebnisse betrifft – das hing wiederum zusammen mit der Wettbewerbsfähigkeit der DDR auf internationalen Märkten - , das hat sie nicht interessiert. Es ist ja nicht so, dass wir nur Schuhsohlen verkauft hätten. Also das hatte zeitweilig einen sehr, sehr bitteren Beigeschmack!«
Vierzig Jahre unterschiedliche politische und soziale Entwicklung hinterlassen offensichtlich auch ihre Spuren in der Sprache. »Wir ha ben in den Verhandlungen mit dem Innenministerium und den Fachressorts ja auch auf der anderen Seite Unsicherheit festgestellt, Unkenntnis eben«, resümiert Kulturminister Herbert Schirmer. »Nur hätten wir nicht mit solchen Begriffen um uns geworfen, um die andere Verhandlungsseite zu diskreditieren. Es hat ja genug Kommunikationsschwierigkeiten gegeben, weil wir häufig mit denselben Worten über unterschiedliche Dinge gesprochen haben und umgekehrt. Ich meine, irgendwo hat ja Herr Streibl auch recht. Natürlich waren wir Laienspieler in der Politik. Aber auch die Profis am Rhein waren mit den Fragen und den Modalitäten der Vereinigung der beiden deutschen Staaten überfordert.«
»Die Bundesrepublik«, sagt de Maizière, »hat zwar 40 Jahre ein Ministerium für gesamtdeutsche Fragen gehabt, das ziemlich viel Geld gekostet hat, aber leider keins für gesamtdeutsche Antworten.«
Und Christa Schmidt noch einmal: »Es war von Anfang an Fremdsteuerung da. Das ging ja mit diesen Beratern los. Der Berater bei mir hatte die Aufgabe, das Ministerium so zu gestalten, dass man bei einer Wiedervereinigung diesen Teil praktisch in das andere Ministerium übernehmen konnte. Und genauso ist das ja mit der Regierung gewesen. Herr de Maizière hatte viele Berater um sich. Das war immer so ein ganzer Schwarm, der da beim Mittagessen auftauchte. Ich glaube, dass auch ihm nahegebracht wurde, wie die Dinge zu laufen haben. Ich denke schon, dass Fremdsteuerung da war, für alle, dass sich da auch keiner zu Wehr setzen konnte. Vielleicht ein bisschen ›Machen Sie Ihr Fenster selbst zu‹, aber ansonsten konnte sich da keiner entziehen.«
5. Der kleine und der g roße Klaus
»Wenn man eine geschiedene Frau heiratet,
bringt die zwar Kinder mit, aber auch Erfahrung.«
Lothar de Maizière
»In einem Dorfe wohnten zwei Männer, die beide denselben Namen hatten. Beide hießen Klaus, aber der eine besaß vier Pferde und der andere nur ein einziges. Um sie nun voneinander unterscheiden zu können, nannte man den, der vier Pferde besaß, den großen Klaus, und den, der nur ein einziges hatte, den kleinen Klaus. Nun wollen wir hören, wie es den beiden erging, denn es ist eine wahre Geschichte.« Das sind die ersten Sätze des Märchens »Der kleine und der große Klaus« von Hans Christian Andersen – eine David-undGoliath-Geschichte. Am Ende wird der kleine Klaus den großen Klaus besiegt haben und reich sein. Ein Märchen eben.
Helmut Kohl und Lothar de Maizière begegnen sich zum ersten Mal im Januar des Jahres 1990 im West-Berliner Gästehaus der Bundesregierung in der Pücklerstraße. Der Termin für die Volkskammerwahl ist auf den 18. März vorverlegt worden, und de
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