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Die letzten Monate der DDR: die Regierung de Maizière und ihr Weg zur deutschen Einheit

Die letzten Monate der DDR: die Regierung de Maizière und ihr Weg zur deutschen Einheit

Titel: Die letzten Monate der DDR: die Regierung de Maizière und ihr Weg zur deutschen Einheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ed Stuhler
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Maizière braucht Klarheit, ob er mit der CDU West gemeinsam Wahlkampf machen kann. Diese, allen voran CDU-Generalsekretär Volker Rühe, will zunächst nichts zu tun haben mit den »Schmuddelkindern von der Blockflötenpartei«, wie de Maizière es ausdrückt.
      Bei dieser ersten Begegnung erzählt Kohl, dass er aus einfachen bürgerlichen Verhältnissen komme, sein Vater sei ein bayerischer Finanzbeamter gewesen. Alles, was er wäre, hätte er sich selbst erarbeitet. »Ich sagte, ich könne mit so einer Familie nicht dienen, ich käme aus einer ziemlich bildungsbürgerlichen bourgeoisen Familie, aber das soll uns ja nicht hindern, vernünftig zusammenzuarbeiten. Und dann war die Frage, wie man mit dem Blockflötenmakel umgehen müsste. Und ich habe gesagt: ›Herr Bundeskanzler, wenn man eine geschiedene Frau heiratet, bringt die zwar Kinder mit,

    1.3.1990, Bonn, Wolfgang Schnur (DA), Lothar de Maizière (CDU), Hans-Wilhelm Ebeling (DSU) und Bundeskanzler Helmut Kohl (v. l. n. r.) schmieden die »Allianz für Deutschland«

    aber auch Erfahrung. Ich habe in allen Kreisen der DDR Büros mit Personal, ich kann Ihnen leicht einen dicken Wahlkampf machen. Das können die neuen und jungen Parteien noch nicht, auch nicht die DSU und auch nicht der Demokratische Aufbruch, mit denen Sie ja offensichtlich mehr liebäugeln als mit unserer ostdeutschen CDU.‹«
      Dieses Argument überzeugt den Pragmatiker Kohl offensichtlich. Vier Wochen später wird er am gleichen Ort ein Treffen zwischen OstCDU, DSU und DA arrangieren, bei dem das Wahlbündnis »Allianz für Deutschland« geschmiedet wird.
      Das Zusammenführen ist nicht so einfach, die inneren Widerstände sind groß. DSU-Vorsitzender Hans-Wilhelm Ebeling: »Die DSU wollte die OstCDU nicht. Und ich muss ehrlich bekennen, ich wollte sie auch nicht. Ich habe in dieser CDU eigentlich nur Menschen kennengelernt, die voll hinter dem System der DDR standen. Es gab natürlich eine Menge Mitglieder in der CDU, die waren eingetreten, um nicht in die SED zu müssen. Das war die Schwierig keit bei der Gründung der Allianz.« Innenminister und DSU-Mitglied Diestel drückt es noch drastischer aus: Für ihn war die CDU damals eine »widerwärtige Partei«. Ihm sei völlig unverständlich, wie man sich als Christ freiwillig unter das Dogma der SED stellen könne. Dazu kommt, dass der potentielle dritte Partner, der Demokratische Aufbruch, einen Vorsitzenden hat, der im Verdacht steht, Inoffizieller Mitarbeiter (IM) der Stasi zu sein.
      Ebeling: »De Maizière wollte die DSU nicht, wir wollten die CDU nicht. Also musste jemand da sein, der uns an einen Tisch brachte, damit wir einen einheitlichen Weg finden konnten. Bundeskanzler Kohl hat uns zusammengefügt.« Das Ergebnis gibt ihm politisch recht: der überwältigende Wahlsieg der ›Allianz für Deutschland‹ bei den Volkskammerwahlen am 18. März.

    Zunächst jedoch kehrt Lothar de Maizière von dieser ersten Begegnung mit Kohl zurück und berichtet einem Vertrauten, dass er den Dicken nicht leiden könne. Der hätte zwölf Stück Kuchen gegessen und gar nicht richtig reden können, weil er immer den Mund voll ge habt habe. Das Verhältnis wird nie freundschaftlich werden, die beiden deutschen Brüder sind zu unterschiedlich: »Unser Verhältnis war sachlich korrekt. Es war kein Verhältnis, das auf besonderer Sym pathie gegründet war. Eine Männerfreundschaft ist daraus nicht geworden. Er in seiner sehr barocken, rheinischen, katholischen Weltsicht und ich, sehr viel protestantischer und östlicher – auch in Denkstrukturen anders. Helmut Kohl denkt in, wenn ich das auf die Malerei übertragen würde, in großen Flächen und im Zug der Geschichte, während ich, leider Gottes, immer gleich auch an Details denke und mehr so die Art Federzeichnungstyp bin. Er, der barocke Pfälzer, der in Großzusammenhängen denkt; ich bin als Anwalt sehr viel detailversessener und ökonomisch preußisch. Er ist kein Mensch, der in Details verliebt ist. Sowie man mit Detailfragen zu ihm kam, sagte er: ›Gehen Sie mal zum Wolfgang‹, sprich

    Wolfgang Schnur (Jg. 1944), Mitbegründer und Vorsitzender des Demokratischen Aufbruchs. Er trat im März 1990 zurück.

    16.5.1990, Straßburg, Helmut Kohl und Lothar de Maizière zu Besuch im Europa parlament

    Schäuble. Und ich bin noch heute dankbar, dass zwischen Wolfgang Schäuble und mir sehr schnell und fast von heute auf morgen ein sehr enges freundschaftliches Verhältnis entstanden

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