Die letzten Monate der DDR: die Regierung de Maizière und ihr Weg zur deutschen Einheit
später erfahren haben, sind schon Gruppen da gewesen, die Krankenhäuser beurteilt, bewertet und hinter vorgehaltener Hand vielleicht schon verhökert hatten.«
Pressesprecher Matthias Gehler: »Ich war neu in dem ganzen Geschäft und habe mich erst kundig machen müssen, hatte auch einen Berater zur Seite, einen Berater aus den alten Bundesländern, Hans-Christian Maaß, den ich sehr schätze, der gute Arbeit geleistet hat. Und im Gegensatz zu dem, was man sonst so manchmal von Westberatern hört, war das jemand , der sehr loyal zu mir stand und der auch nicht unbedingt die Absicht hatte, darüber eine Riesenkarriere zu machen, sondern der wirklich an der Sache interessiert war. Er hat mir sehr geholfen beim Aufbau des Regierungssprecheramtes.«
Walter Siegert, Staatssekretär im Finanzministerium: »Die Mehrheit war ehrlich bemüht, uns Rat zu geben. Dass dort auch Leute dabei waren, die sich profilieren wollten, dass Leute dabei waren, die bloß mal den interessanten Osten begucken wollten, das ist eine ganz andere Frage.«
Gabriele Muschter wird Staatssekretärin im Kulturministerium. Sie macht ganz andere Erfahrungen: »Eigentlich haben wir erst mal gedacht, es gibt viele Dinge, die zu bewahren sind und die man auch durchaus übernehmen könnte. Aber dazu haben in der Regel unsere Brüder und Schwestern ein ganz anderes Verhältnis gehabt. Da hieß es ja: ›Alles weg und fertig!‹ Es hat sie überhaupt gar nicht interessiert, sondern die wollten Stellen besetzen, die Helfer aus dem Westen! Das ist für mich ein Reizthema. Wenn man damals pensionierte Beamte in die neuen Länder geschickt und gesagt hätte, ihr könnt denen da ein bisschen zur Seite stehen, zum Beispiel auf dem Gebiet der Finanzen oder des Rechts, und die hätten dafür ein bisschen Entschädigung bekommen wie Fahrkosten und so etwas. Aber nein, die sind ja dann den anderen vor die Nase gesetzt worden. Man
Walter Siegert, Staatssekretär im Finanzministerium
Gabriele Muschter, Staatssekretärin
im Kulturministerium
dachte: ›Die sind sowieso bald weg vom Fenster, dann machen wir mal, was wir wollen.‹ Ich kann mich noch erinnern: Wir haben einen leitenden Museumsmitarbeiter abgelöst. Und Frau Martiny, damals Senatorin in West-Berlin, rief mich an: ›Ich kann Ihnen nur raten, das sein zu lassen.‹ Ich antwortete nur, dass es sie überhaupt nichts anginge. Wir waren schließlich eine eigenständige Regierung, und ich fand es sehr unverschämt! Wir haben ihn trotzdem entlassen, und am anderen Tag standen wir dann als die neuen Stalinisten in der Zeitung. Aber das konnten wir aushalten.«
»Mir hatte am Anfang Egon Bahr angeboten, eine besondere Linie zu Falin zu schaffen«, berichtet Markus Meckel. »Es war sogar im Gespräch, dass Egon Bahr bei mir Staatssekretär wird. Ich habe dann intern gesagt, ich habe keine Lust, Minister unter Egon Bahr zu sein. Er hatte durchaus Kontakt zu meinem Stab, und hier gab es immer wieder Gespräche, aber ich wollte ihm keine feste Position in meinem Ministerium geben. Er wollte nämlich eine Linie zur KPdSU und glaubte, man könne wie in alten Zeiten Politik mit Moskau machen. Er hat ja dann einen Beratervertrag mit Eppelmann gemacht.«
5.7.1990, Egon Bahr (l.) erhält als Abrüstungs- und Sicherheitsexperte eine Beraterfunktion bei Rainer Eppelmann
Christa Schmidt, eine gelernte Lehrerin, übernimmt das Ministerium für Familie und Frauen. Sie bekommt zwei Berater aus dem Parallelministerium der Frau Professor Ursula Lehr. Der eine war dort zuständig für Jugend, was gar nicht das Fachgebiet von Christa Schmidt ist, sondern das von Cordula Schubert, der andere war in Bonn zuständig für Familie: »Ich will den Leuten zugestehen, dass sie im besten Glauben und mit besten Absichten gekommen sind. Aber auf uns eingelassen haben sie sich nicht. Alle nicht. Der Unterschied zwischen einem West-Berater und einem DDR-Bürger wie mir war unheimlich groß.«
Und sie erzählt eine Episode, die diesen Unterschied besonders deutlich macht. Sie sitzt mit ihrem Berater in einem großen Raum, wo hinten ein Fenster offen steht. Dem Berater zieht es im Genick und er bittet sie, die Sekretärin zu rufen, damit diese das Fenster schließt. »Da habe ich den Mann angeschaut und gesagt: ›Das kommt nicht in Frage. Das gibt es bei uns nicht. Entweder Sie machen das Fenster jetzt selber zu, wenn es Ihnen zieht, oder ich mache es zu. Aber so nicht.‹ Das ist für mich das typischste
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