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Die letzten Monate der DDR: die Regierung de Maizière und ihr Weg zur deutschen Einheit

Die letzten Monate der DDR: die Regierung de Maizière und ihr Weg zur deutschen Einheit

Titel: Die letzten Monate der DDR: die Regierung de Maizière und ihr Weg zur deutschen Einheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ed Stuhler
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helfen, ich habe damit fest gerechnet. Sie gehen jetzt mit mir in das Kollegium, und ich stelle Sie dort als meinen ersten Berater vor.‹ Er hat dann nach einem kurzen Zögern und Nachdenken Ja gesagt, wir haben ein Glas Sekt getrunken und sind da rein. Ich bin relativ unmilitärisch und unorthodox, da hatte ich einen riesengroßen Vorteil schon, dass ich ihnen meinen ersten Berater vorgestellt habe, nämlich ihren alten Innenminister.
      Und dann habe ich die dort versammelten Herrschaften gebeten, der De-Maizière-Regierung mit aller Kraft, mit allen Möglichkeiten zu helfen. Und ich habe allen gesagt, dass in dieser Zeit, die jetzt anbricht, auch für sie ein Platz, irgendwo in dieser neuen Demokratie, in diesem neuen Land gefunden wird. Das habe ich aus tiefstem Herzen so gesagt und auch so ernst gemeint. Später, nach der Deutschen Einheit, bin ich sehr, sehr enttäuscht gewesen, wie wenig ich von diesen Versprechen halten konnte und wie schwer es mir meine Partei gemacht hat, das, was wir alle diesem Personenkreis versprochen haben, auch zu halten. Lothar Ahrendt ist, wenn ich mich richtig erinnere, nach der deutschen Einheit in die Arbeitslosigkeit bzw. den Vorruhestand gegangen, hat dann auch bei der Volkssolidarität mitgeholfen.«
      Besonders interessant ist die Konstellation im Verteidigungsministerium. Pfarrer Rainer Eppelmann ist der erste zivile Verteidigungsminister der DDR. Er schildert den Tag seines Amtsantritts so: »Dieser Tag ist für mich ein ungeheuer schöner und wichtiger Tag gewesen. Meine Gefühle und Gedanken waren natürlich sehr bunt und auch zwiespältig, weil ich mir sagte, den Minister, der den Ober befehl über die Nationale Volksarmee hat, in meinem Falle ein Waffen dienstverweigerer, der im Militärgefängnis gesessen hat – sie konn ten es nicht verhindern. Da war mir klar, ja, wir haben ge wonnen.
      Ich bin in ein Ministerium gekommen mit mehreren Tausenden von uniformierten und zivilen Mitarbeitern. Und bei keinem einzigen wusste ich letztlich, wie er sich verhalten wird, ob er nun loyal sein wird, ob er scheinheilig sein wird, ob er sich feindselig verhalten wird, ob er mir freundlich die Hand gibt oder ob er die Faust in der Hosentasche hat oder Schlimmeres, keine Ahnung. Werden sie mir alles sagen, was ich wissen muss, um sachkundig zu werden? Das war mir schon klar, dass das eine besondere Herausforderung ist. Es war ja einer der Machtapparate der SED, da gab es vermutlich keinen einzigen Offizier, der nicht in der SED gewesen ist. Die

    Amtssitz in Strausberg bei Berlin.

    April 1990, Strausberg, Rainer Eppelmann, Minister für Abrüstung und Verteidigung, übernimmt die Amtsgeschäfte von Admiral Theodor Hoffmann (l.)

    standen vor dem Haus, waren da aufgereiht, wurden mir dann vorgestellt von Admiral Hoffmann 7 , der inzwischen erfreulicherweise auf meine Bitte hin und nach einer erbetenen Zeit des Überlegens gesagt hat: ›Jawohl, ich bin bereit, bei Ihnen der dienstranghöchste Soldat zu sein!‹
      Das war nicht meine erste Begegnung mit Generälen. Ich hatte ja viel früher eine, in den 60er Jahren als Bausoldat, das war unangenehm. Meinen Politoffizier sehe ich heute noch vor mir sitzen. Das ist ein Major gewesen, der saß breitbeinig vor uns und erzählte uns Bausoldaten des Jahrgangs 1966: ›Sie sehen vor sich den zukünftigen Oberbürgermeister von Köln!‹ Das war schon ein Schock für uns gerade Zwanzigjährige, als wir das hörten.« Offensichtlich sprach dieser Major von einer Eroberung der Bundesrepublik durch die NVA.

    Theodor Hoffmann war Vorgänger Eppelmanns in der Modrow-Regierung.

    Hans-Wilhelm Ebeling, Minister für wirtschaftliche Zusammenarbeit

    Ganz anders verläuft dagegen der Amtsantritt von Entwicklungshilfeminister Hans-Wilhelm Ebeling: »Es war ja eine Sensation, dass ein Pfarrer plötzlich in ein Ministerium kommt. Und das Erste, was ich auf meinen Tisch stellte, war ein Kruzifix. Das war auch eine Sensation. Ich habe gesagt: ›Sie brauchen mich nicht mit Herr Minister anzusprechen, wenn Sie einen Titel ansprechen wollen, dann verpassen Sie mir den Pfarrer, das ist mein Beruf!‹ Für die Mitarbeiter sicherlich eine schwierige Situation, muss ich sagen; denn das waren ja weithin Atheisten. Ich habe meinen Mitarbeitern auch angeboten, wenn sie Probleme haben in der Familie, unter Kollegen, wo auch immer, sie können jederzeit zu mir kommen, ich stehe unter dem Beichtgeheimnis. Und das ist dann in der Tat auch vereinzelt

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