Die letzten Monate der DDR: die Regierung de Maizière und ihr Weg zur deutschen Einheit
umstellt, dass man sie modernisiert im Sinne von Effizienz und nicht so sehr von Sicherheit für Mitarbeiter und dass die Produktivität angekurbelt wird.«
Muschter: »Bei uns saßen immer Museumsdirektoren, Theaterintendanten im Zimmer und haben uns zum Teil beschimpft. Wir haben versucht, das, was uns sinnvoll schien, so lange mit denen zu diskutieren, bis es irgendwo einen Punkt der Einigung gab.«
Bei einer dieser Diskussionen verspricht Schirmer dem Direktor der DEFA-Spielfilmbetriebe in Babelsberg, leichtfertig, wie er sagt,
119 Millionen DDR-Mark, um die laufende Produktion weiter zu ermöglichen: »Ich wusste, als ich das in dem Zimmer getan habe, nicht, woher ich die 119 Millionen nehmen soll, und war mir der Leichtfertigkeit meines Vorgehens auch in keinster Weise bewusst. Ich hatte einfach nur dieses sehr starke Gefühl, helfen zu müssen, um nicht schon vor der Zeit Zusammenbrüche zu organisieren. Er hatte mir das Programm, welche Filme gerade gedreht werden und welche Filme kurz vorm Abdrehen sind und welche in Kürze in die Kinos kommen, vorgestellt, und da war mir aus der Sache heraus klar, dass bestimmte Filme wichtig sind. Damals war es ›Die Architekten‹, ein Film, über den man wenige Jahre später vielleicht gelächelt hat, aber der damals eine ungeheure Erfahrung brachte und der also auch das, wonach wir uns eigentlich in der DDR gesehnt haben, was die DEFA tun sollte, welche Filme sie drehen könnte, zumindest angedeutet hat.
Es war ja auch in dieser Frühphase noch gar nicht so genau festgelegt, was aus der DEFA werden wird. Diese Strukturverhandlungen, die setzten ja dann erst später ein. Und am Anfang steckten wir voller Idealismus und haben gesagt, also es wird zu einer Vereinigung kommen, und bis dahin wollen wir bestimmte Einrichtungen flottmachen, weil wir auch das Gefühl hatten, dass sie das verdient haben. Und ich habe lange auch mit Heiner Carow gesprochen und mit den Regisseuren, auch vom Dok-Film, die doch eine Lebensleistung vorzuweisen hatten, die möglicherweise durch diese Form der Einigung, die sie dann später erfahren haben, einfach wegkippt. Und es hat ja auch immer was mit unserem eigenen Selbstbewusstsein zu tun. Es war von Anfang an ein Kampf darum, dass es eine Vereinigung auf Augenhöhe geben wird und nicht, dass jemand, der das Geld hat, sozusagen den Rest aufkauft und damit bestimmt, wo es langgeht.«
Als das Vermögen der SEDPDS aufgelöst wird, geht einiges davon in die Kultur:
»Wir haben knapp 100 Millionen DM genommen, und zwar ohne Konsultationen der Partner aus dem Westen, um aus unserer Sicht wichtige Einrichtungen, wie das Bauhaus in Dessau, zu stützen. Und einige mehr, die also sozusagen mit einer Anschubfinanzierung über den Tag der Einheit hinausgekommen sind. Auch das Deutsche Theater in Berlin gehörte dazu, weil da die Auflösungserscheinungen in meiner Amtszeit extrem hoch waren. Diese wirklich vorzüglich ausgebildeten Schauspieler waren natürlich längst in Rich tung Westen unterwegs, bekamen lukrative Angebote und wurden mit einer Gage gelockt, die illusorisch war für unsere Bedingungen. Das war immer so eine Mischung, also Dinge, die wir versucht haben, strategisch zu entwickeln und andererseits so ad hoc immer Schadensbegrenzungen einzuleiten und Dinge auch kurzfristig zu finanzieren.
Ich kann mich erinnern, dass eines Tages ein junger Mann aus Berlin-Hohenschönhausen in meinem Zimmer auftauchte und sagte, er will eine private Musikschule gründen. Also wir haben eine halbe Stunde miteinander gesprochen. Und er ging dann mit dem festen Versprechen raus, dass er Geld für diese Musikschule bekommt. Der letzte Kulturminister der DDR hatte, wie alle seine Vorgänger, einen Feuerwehrfonds, und er konnte, wenn es irgendwo brannte, dann mit einer seltenen Großzügigkeit Geld dahin lenken.
Heiner Carow (1929 – 1997), DEFA-Filmregisseur.
Der Pfefferberg, der heute immer noch als alternatives Kulturzentrum in Berlin gilt, die Kulturbrauerei, das sind im Grunde frühe Gründungen. Da bin ich mit einem Teil meiner Mitarbeiter und den jungen Leuten damals durch diese tropfnassen Keller gekrochen in der Kulturbrauerei. Und wir haben Geld dorthin gelenkt, dass sich alternative Kulturzentren bilden können.«
Viele der etablierten Künstler sind verunsichert, sehen das Neue skeptisch, fürchten um ihre Arbeitsbedingungen, manche auch um ihre Privilegien:
»Der Maler Wolfgang Mattheuer kam zu mir, hat
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