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Die letzten Monate der DDR: die Regierung de Maizière und ihr Weg zur deutschen Einheit

Die letzten Monate der DDR: die Regierung de Maizière und ihr Weg zur deutschen Einheit

Titel: Die letzten Monate der DDR: die Regierung de Maizière und ihr Weg zur deutschen Einheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ed Stuhler
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nassforsch. Also der damalige Botschafter war völlig konsterniert, wie sozusagen ein DDR-Politiker da einfach aufmarschiert und Forderungen stellt. Das war was vollkommen Neues. Wir hatten damals noch die Tage der russischen Kultur in Berlin. Und da kam dann der russische Kulturminister zu Besuch. Und mit ihm habe ich dieses Problem auch besprochen. Und das Angebot damals, das offizielle Angebot damals von russischer Seite, war, wenn ihr es wiederhaben wollt, dann kauft es! Klipp und klar.«
    Auch Schirmer bekommt seine Berater aus dem Westen: »Es herrschte einfach diese Auffassung, es muss erst mal alles weg, um dann sozusagen per neuer Kopfgeburt Strukturen zu errichten, die möglichst passgenau denen in der Bundesrepublik nahe oder gleich waren. Die Besonderheit war ja, dass die Kulturentwicklung in den beiden deutschen Staaten doch sehr unterschiedlich verlaufen war. Das betraf zum Beispiel die staatliche Aufmerksamkeit in ihrer Ambivalenz, als politisches Instrumentarium, auch als Auftrag, ein besseres Bild von der DDR zu zeichnen, und andererseits aber auch die hohe Wertschätzung, die die Künstler, egal, ob jetzt Maler, Musiker, Schauspieler, genossen haben. Das ist ja eine besondere Aufmerksamkeit, die man in keinem demokratischen System wiederfindet. Es gibt ja in den Diktaturen generell immer eine ungeheuer überhöhte Aufmerksamkeit der Kunst gegenüber.«
      In der DDR gibt es den »Kulturfonds«, der der materiellen Unterstützung von Künstlern und Kunstprojekten dient. Er speist sich aus dem »Kulturgroschen«, einem Aufschlag von fünf oder zehn Pfennig auf alle Eintritts- und Verkaufspreise.
      Gabriele Muschter: »Der Kulturgroschen ist so ein richtiges Reizthema für mich. Das wollten wir unbedingt beibehalten, weil wir das sehr sinnvoll fanden. Das habe ich auch auf allen möglichen Tagungen gesagt. Und eines Tages sagte mir jemand, dessen Namen ich jetzt mal nicht sage: ›Also Sie sind Beitrittsgebiet, und wir haben so etwas nicht, und da kommt das nicht infrage.‹ So! Ganz arrogant! Wir seien föderalistisch, der Aufwand sei zu groß und so etwas.
      Dabei war das sehr sinnvoll. Der Kulturfonds wäre ja bis jetzt sinnvoll. Wenn nicht die Thüringer und die Sachsen ausgestiegen wären, gäbe es ihn im Osten bis heute, und die hätten viel fördern können. Und wenn ich jetzt die Kulturstiftung des Bundes ansehe, die ist mittlerweile nur noch mit Westleuten besetzt. Einer aus dem Osten, der da mal in der Jury war, sagte: ›Wenn nur das Wort Ostkünstler kommt, dann haben die schon angewiderte Gesichter.‹«
      »Das Ganze«, sagt Schirmer, »war ja nun nicht so, dass wir in der Selbstfindung begriffen waren, sondern wir kamen ja mit unseren Vorstellungen, die zugegebenermaßen auch von Naivität und Gut gläubigkeit geprägt waren, aber auch von so einem politischen Idealismus. Wir haben geglaubt, es kommt zu einer Umarmung. Während der Verhandlungen wurde klar, dass es also eine sehr hölzerne Umarmung werden wird. Aber trotzdem haben wir doch diese gegenseitige Akzeptanz gespürt, die sich allerdings, und das muss ich dazu sagen, ausschließlich auf den Bereich der Hochkultur in der DDR konzentriert hat.«
      Gabriele Muschter zählt auf, was sie für unbedingt überlebenswert hielt: »Die Theaterhäuser, die Kulturhäuser, aber auch die Jugend clubs. Das war ja etwas ganz Wichtiges. Die fielen ja alle über Nacht weg, und die Jugendlichen wussten ja nun gar nicht mehr, wohin. Und dann kam ja bald noch dazu, dass die Eltern arbeitslos wurden. Und in der DDR waren 94 Prozent der Frauen berufstätig, in der Bundesrepublik waren es, glaube ich, 42 Prozent. Und die Frauen sind erst mal gleich rausgeschmissen worden. Das hat sich ja alles übertragen auf die Kinder. Es gab Eltern, die sich nur noch mit Alkohol vollgeschüttet haben, weil sie nicht mehr wussten, was sie machen sollten. Die Kinder sind ratlos, hatten keinerlei Infrastruktur in ihrem Wohngebiet oder so etwas. Es gab auch keinen Er satz, es gab niemanden, der sich um sie gekümmert hätte.
      Eigentlich haben wir erst mal gedacht, es gibt viele Dinge, die zu bewahren sind und die man auch durchaus übernehmen könnte. Aber dazu haben ja in der Regel unsere Brüder und Schwestern ein ganz anderes Verhältnis gehabt. Da hieß es ja: ›Alles weg und fertig!‹«
      Mit dem CDU-Politiker und ehemaligen Berliner Kultursenator Volker Hassemer macht sie jedoch gute Erfahrungen: »Herr Hassemer fand so ein zentrales

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