Die letzten Monate der DDR: die Regierung de Maizière und ihr Weg zur deutschen Einheit
Kulturministerium gar nicht schlecht. Er fand auch bestimmte Dinge gut, die wir gemacht haben. Aber das konnte man damals überhaupt nicht laut sagen, das war ja Zentralismus, etwas ganz Verpöntes! Einige waren sehr einfühlsam und haben auch verstanden, worum es geht. Andere waren es eben nicht. Die kamen und guckten sich so um wie die neuen Besitzer, die bald in das Haus einziehen werden.
Ich habe aber manchmal auch das Gefühl gehabt, man redet aneinander vorbei. Ich war zu einer Kultusministerkonferenz und habe ganz naiv gedacht, da geht es auch um Kunst und Kultur. Es ging aber nur um Bildung, und es ging darum, dass die Schulen im Westen viel besser sind als die Schulen im Osten, was ja so auch nicht stimmte. Zum Schluss hat es mir gereicht, und ich bin einfach rausgegangen. Das waren ja auch alles sehr selbstbewusste, erlauchte Herren, da kam man kaum zu Wort. Und diese Streitkultur, oder Unkultur, waren wir ja so nicht gewohnt.«
In den 80er Jahren hatte es in der DDR eine alternative und oppositionelle Kulturentwicklung gegeben. Junge Künstler, Maler, Fotografen, Liedermacher, Lyriker, Puppenspieler scherten sich nicht mehr um staatliche Zuwendung und machten ihr eigenes Ding. Sie versuchten erst gar nicht mehr, sich über Aufträge und Anerkennungen im System zu etablieren. Sie verantworteten ihre Projekte einfach selbst und brachten mit ihren Bildern, Lesungen, Liedern, Performances eine geistige Unruhe ins Land, die nicht unwesentlich zum Ende der DDR beitrug. Herbert Schirmer: »Es war auffällig, dass dieses Unruhepotential in der Kultur bei den Verhandlungspartnern in der Bundesrepublik kritisch gesehen worden ist. Es ging immer in der Hauptsache um Staatsopern, es ging um das Gewandhaus in Leipzig, es ging um den Kreuzchor in Dresden, und es ging um die großen und bekannten Bibliotheken, also nicht die Gewerkschaftsbibliotheken. Diese Institutionen waren immer im Fokus der Verhandlungen. Die waren eben auch bekannt, und deswegen konnte man dort einfacher verhandeln als dieses revolutionäre Element in der Künstlerschaft. Dieses kritische Bewusstsein, das am Ende der DDR nicht nur auf der Straße, sondern im Bewusstsein der Bürger war, das ist im Wesentlichen von den Künstlern erzeugt worden, das ist über die Jahre immer wieder wachgehalten worden. Und ich glaube, von daher kam dann auch die große Enttäuschung 1990! Ich muss sagen, als Minister habe ich mehr Kritik erfahren als Zustimmung. Ich bin plötzlich in eine Vaterrolle hineingedrängt worden durch dieses Amt, dass also Erwartungshaltungen an mich herangetragen wurden, die mich eindeutig überfordert haben! Die mich auch überfordert hätten, wenn ich in allen Ressorts sozusagen Bescheid gewusst hätte. Ich hatte ja immerhin einen Mitarbeiterstab, der aus Fachleuten bestand und nicht nur aus den politisch einwandfreien Kräften. Da waren
17.7.1990, Berlin, Kulturministerium, Künstlerprotest »Den Löffel abgeben«
Theaterspezialisten dabei, da waren Experten für bildende Kunst, es ist doch eine ganze Reihe neuer Mitstreiter ins Ministerium gezogen, die ich aus der früheren Zusammenarbeit im freien Bereich kannte oder aus den Museen. Aber die Erwartungen waren einfach zu hoch.«
Die DDR-Künstler, ein selbstbewusstes, im ständigen Kampf mit Kulturfunktionären gestähltes Volk, proben den Aufstand. Sie organisieren eine Protestaktion gegen die Kulturdemontage. Hunderte von ihnen geben buchstäblich den Löffel ab: »Sie hatten das Ministerium, das Gebäude, besetzt, und ich musste Rede und Antwort stehen und wurde mit Löffeln beworfen. Und es wurden Forderungen gestellt, die also wirklich illusorisch waren, die auch überhaupt nichts mit dem, was auf der Straße und in den deutsch-deutschen Verhandlungen gerade passierte, zu tun hatten. Es war irgendwie so eine verlängerte DDR-Situation, wo die Künstler in einer ungeheuren Selbstgerechtigkeit aufmarschiert sind und sozusagen einen Schutz gefordert haben und eine Fortführung der DDR-Bedingungen für die Künstler. Die hatten dieses Verständnis, dass der Staat so zusagen die soziale Hängematte in Ewigkeit spannt, auch wenn da Dinge entstehen, die nicht unbedingt auf ihre Güte hin abgeklopft werden, auf Qualität, sondern dass es einfach nur läuft. Das war spe ziell bei der DEFA natürlich ein Problem mit diesem riesigen Mitarbeiterstab. Es war alles so organisiert, wir gingen ja von drei, vier Jahren RestDDR aus, dass man in dieser Zeit die Strukturen
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