Die letzten Städte der Erde
einen Strich durch die Rechnung. Aber in seinem achtzehnten Jahr wurde aus dem Streit zwischen Pertito und Onkel Legran eine Fehde, und seine Mutter starb, während der Streitigkeiten erdolcht.
Sie hatte ihn vor Komplikationen gewarnt. Er stand da am Tag des Begräbnisses und betrachtete ihren Sarg, grämte sich bitter um den Verlust von ihr, die seine beste und freundlichste Ratgeberin gewesen war, grämte sich auch um ihretwillen, weil sie in ein Muster hineingewebt worden war, das zu vermeiden sie ihn gewarnt hatte. Pertito und Legran waren beide anwesend und blickten einander voller Haß an. »Du hast Claudette mit hineingezogen!« hatte Pertito Legran angeschrien, während sie sterbend zwischen ihnen auf dem Teppich gelegen hatte; und die Fehde zwischen den beiden war jetzt bitterer denn je zuvor, denn sie beide hatten Claudette, seine Mutter, geliebt.
Es würde nicht lange dauern, überlegte er innerhalb der Grenzen seiner Erfahrung mit solchen Dingen, bis Pertito und Legran ihr folgten. Er war klug und empfand keinen Haß auf sie, riß sich los von der kleinen Familienversammlung und der größeren Ansammlung von Neugierigen außerhalb des Jadepalastes, denn er hatte mit seinen Leben andere Dinge vor, und er dachte, daß seine Mutter seinem klaren Verstand starken Beifall zollen würde.
Aber während er sich noch von der Versammlung entfernte, sah er dort Ermine bei ihren Verwandten aus dem Haus Onyx stehen.
Und wenn sie schon eine Schönheit gewesen war zu der Zeit, als sie beide vierzehn gewesen waren, dann jetzt umso mehr. Er blieb stehen und starrte sie an, eine Vision in weißer Seide und Perlen aus der Sin, mit bleichem Haar und rosa überhauchter Haut. Es war Ermine, die ihn zurückzog zum Begräbnis seiner Mutter... Claudette, wie er seine Mutter jetzt innerlich nannte, mit ihrem richtigen Namen rief, denn sie hatte aufgehört, seine Mutter zu sein, und wurde vielleicht schon in diesem Moment am anderen Ende der Stadt neu geboren, um ihre Reise zurück zu ihren Angehörigen zu machen. Diese Trauer war nur eine Zeremonie, so etwas wie der Abschied zu einer Reise und der Anlaß zu einer Party. Diese nahm an Ausmaß zu, während sie über die Treppe schritten, vorbei an den brausenden Fluten der Sin, als immer mehr Neugierige auf eigene Faust dazukamen und fragten, wer denn gestorben sei und wie, und die Geschichte wurde erzählt und auf anderen Ebenen wieder erzählt. Aber es waren die Verwandten, die Claudette wirklich gekannt hatten, die das Erzählen besorgten; und Alain blieb aufgrund seines niedrigen Standes schweigsam und war bald schon der ganzen leeren Show leid – seine Augen waren nur noch auf Ermine gerichtet.
Er ging an ihrer Seite, während sie unablässig die lange Treppe hinabschritten, die um den Schacht der Sin herum verlief. »Treffen wir uns später?« fragte er, ohne sie anzuschauen, denn Schüchternheit beherrschte sein junges, unerfahrenes Leben.
Er spürte, wie sie ihn betrachtete; zumindest nahm er eine Bewegung wahr, ein gewisses abschätzendes Schweigen, und Hitze kroch in sein Gesicht. »Ich denke, das könnten wir«, sagte sie, und das Herz hämmerte in seiner Brust.
Erzeuge nie ein unumstößliches Muster!
hatte Claudette ihn gewarnt. Und jetzt vor der Grablegung ihres Leichnams schien ihre Stimme weit entfernt und ihr Ratschlag weniger klug als zuvor. Schließlich war
sie
auf diese Weise gestorben, und er stand im Begriff, sein eigenes Leben zu leben.
Ich werde klug sein
, versprach er ihrem Geist. Claudette würde ein Kind seiner Generation sein, ganz sicher... vielleicht sogar... – der Gedanke betäubte ihn – vielleicht sogar sein eigenes mit Ermine. Sie würde sehr willkommen sein, sollte sie sich dazu entschließen. Er würde ihr so viele Dinge erzählen, die er bis dahin gelernt hatte. Seine Heirat mit Ermine würde eine dieser seltenen, ewigen Eheschließungen sein; Ermine würde ihn lieben... – eine derartige Anziehung konnte nicht einseitig sein. Das in ihm aufsteigende Gefühl war seine ganze Welt, und er hielt es für widersinnig, daß Ermine unbewegt bleiben konnte.
Er war jetzt um vier Jahre klüger als damals und erfüllt mit der ganzen Geschichte, die er seitdem durch Lesen und Zuhören in sich hatte aufnehmen können.
Pertito und Legran stritten in seiner Nähe laut miteinander. Er schenkte ihnen keine Beachtung. Sie erreichten die Ebene der Gräber weit unterhalb des Flußbetts der Sin, und mit großer Feierlichkeit – alle liebten sie den
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