Die letzten Tage von Pompeji
Philosophen,« antwortete der Egypter; »sie halten Erschöpfung für Nachdenken, und glauben, weil sie der Welt satt sind, den Reiz der Einsamkeit zu kennen. Aber nicht in so abgematteten Herzen kann die Natur jenen Enthusiasmus erregen, der allein ihrer keuschen Zurückhaltung ihrer unaussprechlichen Schönheit zu entlocken vermag; sie fordert keineswegs Ausrottung der Leidenschaft von Euch, sondern jene ganze Glut, der Ihr Euch, indem Ihr sie anbetet, zu entschlagen suchet. Wisse, junger Athener, als sich Luna dem Edymion im geheimnisvollen Licht enthüllte, geschah dies nicht etwa nach einem in den unruhigen Wohnungen der Menschen verlebten Tag, sondern auf dem stillen Gipfel der Berge und in den einsamen Thälern des Jägers.«
»Das Gleichnis ist schön!« rief Glaukus, »aber die Anwendung falsch. Erschöpfung, sagst Du! Oh! die Jugend erschöpft sich niemals, und was mich wenigstens betrifft, so habe ich nie einen Augenblick der Sattheit kennen gelernt.«
Wiederum lächelte der Egypter; aber diesmal war sein Lächeln frostig und schneidend, und sogar Klodius, dessen Einbildungskraft nicht sehr lebhaft war, empfand ein kleines Frieren dabei. Arbaces gab übrigens auf den leidenschaftlichen Ausruf des Glaukus keine Antwort, sondern sprach nach einer Pause mit sanftem und melancholischem Tone: »Im Ganzen genommen thust Du wohl daran, das Leben zu genießen, so lang es Dir lächelt. Die Rose welkt schnell, das Parfüm verdunstet – und was uns betrifft, o Glaukus, die wir in diesem Lande fremd und hier ferne von unserer Väter Asche sind, – welche andere Wahl bleibt uns, als sinnliches Vergnügen oder Sehnsucht? Jenes für Dich, für mich vielleicht die letztere.«
Die glänzenden Augen des Griechen füllten sich plötzlich mit Thränen.
»Ach! Arbaces,« rief er aus, »sprich nicht von unsern Voreltern. Vergiß, daß es je andere Freiheiten gegeben hat, als die Roms! – und eine andere Herrlichkeit – ach, vergebens würden wir ihren Schatten auf den Feldern von Marathon und Thermopylä wieder zu erwecken suchen.«
»Dein Herz tadelt Dich, während du sprichst,« sagte der Egypter, »und bei den Freunden dieser Nacht wirst Du mehr an Leäna, [Fußnote: Als Leäna, die heldenmüthige Geliebte Aristogeitons, gefoltert wurde, biß sie sich die Zunge ab, damit sie nicht der Schmerz verleiten möge, die gegen die Söhne des Pisistratos angesponnene Verschwörung zu verrathen; die ihr zu Ehren errichtete Statue einer Löwin sah man in Athen zur Zeit des Pausanias. ] als an Lais denken. Vale!«
Mit diesen Worten hüllte er sich in seinen Mantel und entfernte sich langsam.
»Ich athme wieder freier,« sagte Klodius. »Um die Egypter nachzuahmen, stellen wir bisweilen ein Skelet bei unsern Gastmählern auf; fürwahr die Gegenwart eines solchen Egypter's wäre wohl gespenstisch genug, um die herrlichste Falerner Traube zu verbittern.«
»Ein sonderbarer Mann!« sagte Glaukus mit nachdenkender Miene; »obwohl er abgestorben ist für das Vergnügen und gleichgültig gegen die Güter der Welt scheint, so könnten doch, wenn das öffentliche Gerede nicht lügt, sein Haus und Herd andere Geschichten erzählen.«
»Ja man spricht von ganz andern Orgien, als von denen des Osiris, die in seiner düstern Wohnung gefeiert werden sollen. Man versichert überdies, daß er reich sei. Sollten wir ihn nicht an uns locken und die Reize des Würfelspiels lehren können? O du größtes aller Vergnügen! Du glühendes Feuer der Hoffnung und Furcht! in Leidenschaft, die nie ermüdet! O Spiel, wie fürchterlich schön bist du!«
»Welche Begeisterung!« rief Glaukus lachend; »das Orakel spricht durch den Mund des Klodius. Welches Wunder werden wir da noch erleben?«
Drittes Kapitel.
Die Verwandtschaft des Glaukus – Beschreibung der Häuser von Pompeji – Ein klassisches Fest.
Der Himmel hatte Glaukus mit allen seinen Wohlthaten überschüttet, eine einzige ausgenommen; er hatte ihn mit Schönheit, Gesundheit, Vermögen, Talent, vornehmer Geburt, einem feurigen Herzen und einem poetischen Geiste begabt; aber er verweigerte ihm das Erbe der Freiheit. Glaukus war zu Athen geboren, der Unterthanin Roms. Frühe in den Besitz eines beträchtlichen Vermögens gelangt, hatte er sich dem bei jungen Leuten so natürlichen Geschmacke für's Reisen überlassen und im Schooße pomphafter Feste am kaiserlichen Hofe in langen Zügen aus dem berauschenden Becher des Vergnügens geschlürft. Glaukus war ein Alcibiades ohne Ehrgeiz; er
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