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Die letzten Tage

Die letzten Tage

Titel: Die letzten Tage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: DANA KILBORNE
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klar wurde. Wer wusste besser als er, dass Engel nicht nur die freundlichen, gütigen und gerechten Wesen waren, für die die Menschen sie hielten? Er kannte ihre grausame und unversöhnliche Seite zur Genüge. Die Angeli, wie sie sich selbst bezeichneten, mochten in der Schlacht aller Schlachten auf der Seite des Lichts kämpfen – doch sie verfolgten diejenigen, die sich ihren heiligen Gesetzen zu widersetzen wagten, mit flammendem Schwert. Wenn dies überhaupt möglich war, dann verachtete er sie sogar noch mehr als die Menschen.
    Als er spürte, wie der alte Hass, der heiß und alles verzehrend unter der Oberfläche brodelte, wieder ihn ihm aufzusteigen drohte, schloss er kurz die Augen und atmete tief durch.
    Sie hatten ihn verstoßen, weil er sich in eine menschliche Frau verliebt hatte – etwas, das in ihrer Weltanschauung streng verboten war und mit aller Härte bestraft wurde. Immerzu predigten sie von Liebe und Vergebung. Dabei kannten sie weder das eine noch das andere, das wusste Zack nur allzu gut. Sie lebten in einer Welt, in der es nur Schwarz oder Weiß gab, Gut oder Böse. Grauzonen existierten für sie nicht. Und ihre Herzen bestanden aus Eis, sie waren nicht fähig, überhaupt etwas zu empfinden – das galt zumindest für diejenigen unter ihnen, die sich zu Richtern über Recht oder Unrecht aufschwangen. Doch der Tag der Rache würde kommen. Und zwar schon sehr bald, wenn alles so lief, wie er es sich vorstellte. Sollte es ihm mit Grazias Hilfe gelingen, die Heerscharen der Finsternis aufzuhalten, dann konnten die Angeli ihm die Rückkehr ins Elysium nicht länger verweigern. Sie, die ihn einst verstoßen hatten, weil er sich in eine menschliche Frau verliebt hatte, würden ihn wieder in ihrer Mitte willkommen heißen müssen.
    Zack konnte sich keine größere Demütigung für sie vorstellen – und keine größere Genugtuung für sich selbst.
    Zufrieden lehnte er sich auf der Couch zurück. Dabei fiel sein Blick wieder auf Grazia. Mit einem Mal verspürte er den drängenden Wunsch, sie zu beschützen. Die Frage war nur, ob er das überhaupt konnte.
    Ohne ihre Hilfe würde es ihm nie gelingen, mit der Bruderschaft der letzten Tage in Kontakt zu treten. Und nur, wenn ihm das gelang, bestand auch eine Chance, die dunkle Bedrohung aufzuhalten.
    Er brauchte Grazia. Doch auf ihrem Weg würden sie zahllosen Gefahren begegnen, und sie war nur ein Mensch. Sie verfügte über keinerlei außergewöhnliche Fähigkeiten und würde den Kampf mit einer der niederen Kreaturen Luzifers keine zehn Sekunden überstehen.
    Fast wünschte er, er müsste sie nicht in diese Sache mit hineinziehen. Es war nicht fair, denn sie hatte so gut wie keine Überlebenschancen.
    Na und? Wen kümmert das? Wie du schon sagtest: Sie ist nur ein Mensch! Absolut bedeutungslos. Du tust das alles hier nur für die Seelen von Merle und Tobias, schon vergessen?
    Die Menschen waren es nicht wert, dass man auch nur einen Gedanken an sie verschwendete. Sie logen, betrogen, führten Kriege gegeneinander und mordeten.
    Aber sie empfinden auch Liebe, Zuneigung …
    Zack stutzte. Er wunderte sich über sich selbst. Was war bloß mit ihm los? Hatten fast vierhundert Jahre Studium der menschlichen Natur nicht gereicht, ihn von Regungen wie Mitgefühl und Anteilnahme zu befreien?
    Und was ist mit Merle? Sie war auch ein Mensch – und trotzdem hast du sie geliebt …
    Das war in einem anderen Leben gewesen. Und Grazia war nur ein Bauer in einem Spiel, das bereits seit Anbeginn der Zeit andauerte. Nützlich, aber verzichtbar.
    Zumindest versuchte Zack, sich das einzureden. Wirklich gelingen wollte es ihm jedoch nicht.
    Der Gestank war so überwältigend, dass Grazia trocken würgte. Es roch, als würde etwas ganz in ihrer Nähe verwesen. Um sie herum herrschte absolute Dunkelheit. Sie wusste weder, wo sie sich befand, noch, wie sie hierhergekommen war. Nur eines stand fest: Sie befand sich nicht mehr in ihrer Wohnung.
    Zack, wo bist du? Hast du nicht versprochen, mich zu beschützen?
    Doch er war nicht da. Sie war allein mit diesem … Ding .
    Sie konnte es hören.
    Dieses widerliche Geräusch, so als ob etwas Schweres, Feuchtes über den Boden geschleift wurde. Und es kam immer näher!
    Aufschluchzend kroch Grazia über den feuchten, schlammigen Boden ihres Verlieses zurück, bis sie mit dem Rücken gegen eine Wand stieß. Dort kauerte sie sich zusammen, zog die Knie an den Körper und versuchte sich so klein wie möglich zu machen. Sie hoffte,

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