Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die letzten Worte des Wolfs

Die letzten Worte des Wolfs

Titel: Die letzten Worte des Wolfs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
Vom Netzwerk:
ausgelaugt. Mit unsicheren Schritten ging er zu der Kartenverkäuferin hinüber und erklärte ihr, daß sie seinen Freunden, wenn die Vorstellung vorüber wäre, ausrichten solle, er sei noch eine Besorgung machen gegangen und komme dann nach Hause.
    Da er sich nicht mehr erinnern konnte, wo der Kräuterladen sich befand, den Cajin ihm auf dem Stadtplan bezeichnet hatte, mußte er zuerst zum Haus des Mammuts zurück. Er umrundete die Mauern, mit denen Baron Figelius sich und sein Anwesen vom Rest der Stadt abgrenzte, kam erneut am Vierfaden und bei Bep Immergrün vorbei und schloß die Tür seines neuen Zuhauses auf. Nach dem Frühstück hatte Cajin jedem von ihnen einen eigenen Schlüssel ausgehändigt.
    Hinten rechts in seinem kleinen Schreibzimmer hing Warchaims Stadtplan an der Wand. Der hölzerne Oobokopf auf dem Schreibtisch strahlte Ruhe und Würde aus und half Rodraeg dabei, die neuen Hustenwallungen niederzuhalten. Er verglich die fünfzig Zahlen auf dem Stadtplan mit den fünfzig Beschriftungen auf der linken Seite und fand schließlich, was er suchte: Nummer 41, Samistien Breklaris, Kräuter & Drogen. Zwei Häuser östlich von der Schmiede des Teff Baitz, gar nicht weit entfernt vom Tempelbezirk. Dort hatte Rodraeg ohnehin noch einen Besuch abstatten wollen. Er fürchtete sich zwar ein wenig davor, Priester ins Vertrauen zu ziehen, aber angesichts der Rätsel um Quellen, Zahlen und die Götter gab es wohl keine andere Möglichkeit, als jede sich bietende Informationsmöglichkeit auszuschöpfen.
    Erneut ging er Richtung Markt. Der Tag neigte sich dem Abend entgegen, das Blau des Himmels wurde langsam stumpf. Eine Dreierpatrouille Stadtgardisten kam ihm entgegen und passierte ihn. Auf dem Marktplatz wandte sich Rodraeg nach Süden, dann nach Osten auf die Miurastraße, die auch Hellas genommen hatte, um sich mit seinem neuen Bogen anzufreunden. Das Geschäft von Samistien Breklaris war schwer zu finden. Es lag nicht direkt an der Straße, sondern weiter hinten in einem Hof, am Ende eines wahren Labyrinths von kreuz- und querstehenden Häusern, Hütten, Zäunen und Mauern. Der Laden war noch winziger als das Haus des Mammuts. »Kräuter & Drogen« stand über dem Eingang.
    Als Rodraeg die Tür öffnete, die nur halb so breit war wie gewöhnliche Türen, bimmelte ein darüber angebrachtes Glöckchen. Eine Treppe führte ein paar Stufen hinab. Der Laden lag tiefer als die Straße und war nur von Kerzen und einigen Glutbecken erhellt. Der Geruch war überwältigend. Rauch und Gewürze, Kräuter und Aromaöle. Rodraeg mußte erneut husten.
    Samistien Breklaris war ebenso hoch und schmal wie seine Tür. Der Eindruck von länglicher Verzerrtheit wurde noch verstärkt durch den seltsamen, federgeschmückten Hut, den er trug. Sein Gesicht war dunkel und faltig, überwuchert und beherrscht von einem schwarzen Rauschebart und einer markanten Nase.
    Â»Ihr wünscht? Etwas gegen Husten, nehme ich an?«
    Â»Ich bin auf der Suche nach Marionettengras. Habt Ihr das vorrätig?«
    Â»Marionettengras. Ihr meint Mastiges Fettengras?«
    Â»Nein. Marionettengras. Eine Heilerin namens Geskara hat es mir in Terrek gegeben. Man kann es kauen und bekommt davon grünen Speichel. Es hat mir gut geholfen.« Rodraeg beschrieb das Aussehen des Grases. Der Kräuterhändler zog die Stirn kraus. Dann wandte er sich um, öffnete eine Schublade und hielt Rodraeg einen in voller Blüte getrockneten Halm hin.
    Â»Das hier. Ihr meint das hier.«
    Â»Ja, das ist es! Habt Ihr auch frisches?«
    Â»Das ist Grüner Fadenwurz. Den habt Ihr frisch gekaut.«
    Â»Ja. Mehrere Tage lang.«
    Â»Da ist Euch eine seltene Ehre zuteil geworden. Grüner Fadenwurz wächst nur in unzugänglichen Gebieten des Nekeru-Gebirges, das, zugegebenermaßen, von Terrek nicht allzu weit entfernt ist, aber immerhin noch fünf Tagesreisen.«
    Â»Aber das verstehe ich nicht. Es war frisch gepflückt. Ein ganzes Büschel davon.«
    Â»Nun, womöglich hat diese Geskara eine Methode entwikkelt, den Fadenwurz bei sich im Garten wachsen zu lassen.«
    Rodraeg fiel in diesem Augenblick ein, daß er sich noch gar nicht Naenns Kräutergarten angesehen hatte. Seit zwei Monden war sie dort am Zupfen und Jäten, und er hatte das vollkommen vergessen. Hoffentlich war sie ihm nicht böse

Weitere Kostenlose Bücher