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Die letzten Worte des Wolfs

Die letzten Worte des Wolfs

Titel: Die letzten Worte des Wolfs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
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zu schätzen gewußt, was das bedeutete – ein eigenes Bett. Einundvierzig Tage Sklavenarbeit in einer giftdurchwehten Höhle hatten das gründlich geändert.
    Er betrachtete die anderen.
    Naenn, das Schmetterlingsmädchen, das ihn aus seiner Existenz als Rathausschreiber herausgelöst hatte, so, wie man eine Muschel von einer Muschelbank löst. Vorsichtig genug, um die Schale nicht zu zerbrechen, aber dennoch mit Bestimmtheit. Mit ihrer Magie hatte sie hineingeleuchtet in diese Muschel und ein Sandkorn darin entdeckt, das eines Tages eine Perle werden könnte. Und dennoch war es für Rodraeg bislang nichts weiter als Sand.
    Naenn sah müde aus, sie hatte dunkle Schatten unter den Augen. Ihr ohnehin bleiches, zart-schönes Antlitz wirkte noch zerbrechlicher als sonst, wie angespannt unter einem inneren und äußeren Druck, den Rodraeg sich nur teilweise erklären konnte. Er vermied es, ihrem Blick zu begegnen, aber er konnte selbst aus den Augenwinkeln stets Glut sehen dort, wohin sie ihren Blick richtete.
    Cajin Cajumery, der Junge neben ihr. Blond, sonnig, freundlich, nichts wissend von dem düsteren und blutbesudelten Geheimnis seiner Herkunft. Er war der Verwalter und Instandhalter dieses Warchaimer Häuschens, das der Kreis finanzierte, damit die Gruppe namens Mammut ihrer Arbeit nachgehen konnte. Cajin kochte, putzte, wusch, kümmerte sich gemeinsam mit Naenn um Korrespondenzen, hatte sämtliche Schlafstätten selbst gezimmert und machte nebenbei noch Hilfsarbeiten für verschiedene Handwerker, um die Unkosten des Mammuts möglichst gering zu halten. Ihm war es zu verdanken, daß Naenn und er in den zwei Monden, die die anderen fort gewesen waren, mit den wenigen Talern, die Rodraeg ihnen dagelassen hatte, hatten auskommen können.
    Cajin gegenüber saß Bestar Meckin, der große, muskelbepackte Klippenwälder. Hinter seinem häßlichen Gesicht mit den schiefen Zähnen und der breiten Nase verbarg sich eine treue und verantwortungsbewußte Seele, soviel war schon während ihres ersten gemeinsamen Einsatzes deutlich geworden. Zweimal war Bestar schwer verwundet worden, noch immer litt er unter der Bauchverletzung, die ein geschleuderter Speer ihm zugefügt hatte, aber er ließ sich nichts anmerken. Er scherzte und lachte mit Cajin und versuchte auf unbeholfene Art, einen guten Eindruck auf Naenn zu machen, der er aber allein schon wegen seiner enormen körperlichen Präsenz unheimlich war.
    Neben Bestar schließlich Hellas Borgondi. Hellas hatte sich den dunklen Bart, der verriet, daß seine weißen Haare nicht natürlich waren, längst wieder abgenommen, so daß er älter aussah, als er eigentlich war. Älter und einsamer. Er reiste mit ihnen, aß mit ihnen, sprach mit ihnen, lachte sogar mit ihnen, aber zwischen ihm und allem anderen stand eine unsichtbare Mauer. Hellas tötete ohne Skrupel. Bestar hatte im Talkessel bei Terrek ebenfalls mehrere Menschen erschlagen, aber er hatte dabei jedesmal sich selbst, den eigenen Leib in die Waagschalen geworfen. Hellas dagegen war ein Bogenschütze, ein sehr begabter Bogenschütze – er tötete aus der Distanz. Sogar die königliche Armee hatte ihn vor Beginn ihres zwielichtigen Affenmen schenfeldzuges als Ausbilder angeheuert. Aber dort hatte Hellas einen Magier getötet und war desertiert. Rodraeg fand es nach wie vor gut, im Ernstfall jemanden wie ihn dabeizuhaben, aber bevor er sich wirklich wohl fühlen konnte mit dieser kleinen Truppe, mußte es ihm erst noch gelingen, Hellas davon zu überzeugen, daß es oft sinnvoller war, mit einem Pfeil zu warnen, statt gleich zu töten.
    Einer fehlte bereits. Migal Tyg Parn, Bestars Kindheitsfreund aus Taggaran, hatte das Mammut verlassen und war zu einer anderen Gruppe namens Erdbeben übergelaufen, die skrupelloser war und weniger nachdenklich und somit deutlich mehr Spaß verhieß. Daß Bestar geblieben war – darüber staunte Rodraeg immer noch.
    Er schob sich den Rest eines frischen Brötchens in den Mund, kaute, hustete kurz und begann dann seine für den heutigen Morgen geplante kleine Ansprache.
    Â»Mit den fünfhundert Talern, die uns Riban mitgebracht hat, haben wir jetzt 504 Taler zur Verfügung. Ich kann euch also erstmals euer redlich verdientes Geld auszahlen. Ursprünglich dachte ich an dreißig Taler pro Kopf und Mond, aber nun hat unser erster Auftrag schon zwei

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