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Die letzten Worte des Wolfs

Die letzten Worte des Wolfs

Titel: Die letzten Worte des Wolfs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
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ja«, sagte Bestar. »Eine Keilerei am Hafen!«
    Naenn ließ sich nicht beirren. »Cajin hat mir von diesem Volkstheater erzählt: Lachende Maske. Wollen wir nicht alle zusammen ins Theater gehen? Ich war noch nie in einem Menschentheater.«
    Â»Na gut«, zuckte Rodraeg die Schultern. »Ist denn da tagsüber schon etwas los?«
    Â»Das ist ein Volkstheater, keins für den gehobenen Abendgeschmack«, erläuterte Cajin grinsend. »Es gibt zwei Vorstellungen tagsüber, und eine mit etwas derberem Inhalt nach Einbruch der Dunkelheit.«
    Â»Also los.« Rodraeg machte ihnen Beine. »Gehen wir ins Theater.«
    Die Lachende Maske lag am westlichen Stadtrand im Schatten des Adelsbezirkes und unweit der Straße Richtung Aldava. Ein einstöckiges Gebäude mit einer bunt bemalten Fassade, auf der unterschiedliche Fabelwesen und Kostüme dargestellt waren. Ein Mammut war unter den abgebildeten Sagengestalten nicht zu finden.
    Das Stück, das zur Zeit mehrmals täglich gegeben wurde, hieß Der nasse Rock – ein volkstümlicher Schwank mit etlichen turbulenten Szenen, wie die Kartenverkäuferin versicherte. Vorstellungsbeginn war in einer Drittelstunde. Rodraeg kaufte die Sitzplatzkarten, und dann setzten sich die vier auf eine runde Bank im Innenhof, tranken Apfelwein und knabberten an frischen Brezeln.
    Außer ihnen fanden sich etwa ein Dutzend weitere zahlende Zuschauer ein, so daß der Bühnenraum, in den vielleicht fünfzig Personen paßten, alles andere als voll war. Rodraeg, Naenn, Cajin, Bestar – so plazierten sie sich nebeneinander in die fünfte Reihe und warteten gespannt darauf, daß der flickenübersäte Vorhang sich hob.
    Was sich in den nun folgenden anderthalb Stunden abspielte, konnte bestenfalls als billig bezeichnet werden. Die Hauptdarstellerin lief pausenlos in tropfnasser Wäsche durch die Papierkulissen, und die hauptsächliche Komik des Stückes schien darin zu bestehen, sie immer wieder aufs neue mit Wasser zu übergießen oder in Bottiche zu tunken und anschließend Witze über ihre deutlich sichtbaren Brüste zu reißen. Darum herum gab es ein paar Raufereien zwischen mehreren absurd herausgeputzten Galanen, eine Gesangsnummer mit einem rempeligen, auf dem Bretterboden dröhnenden Gruppentanz und eine Verfolgungsjagd zwischen den Sitzreihen der Zuschauer, bei der die Zuschauer auch ihren Gutteil Wasser abbekamen. Bestar lachte laut und dröhnend, besonders die unwahrscheinlichen Prügeleien ließen ihn auf dem Sitz vor Belustigung vor- und zurückzucken, während er auf das Geschehen deutete und Cajin Einzelheiten erzählte, die jeder sehen konnte. Cajin wurde von Bestars prustendem Gelächter angesteckt und steigerte sich ebenfalls in ausgelassene Albernheit. Naenn saß mit gerötetem Gesicht steif da und hielt ab und zu die Hände vor die Augen. Keine einzige Pointe zündete bei ihr, es war geradezu rührend, mit anzusehen, wie sie zweimal höflich lachte, in Szenen, die fast gar nicht komisch waren. Rodraeg war das Ganze äußerst peinlich. Aus der Hauptstadt war er anspruchsvolles Theater gewöhnt, bei dem die Schauspieler nicht einfach nur laut, sondern begabt und mitreißend waren. Von der Lachenden Maske fühlte er sich regelrecht verschaukelt. Zu allem Überfluß überfiel ihn im zweiten Akt ein Hustenreiz, den er nicht mehr unter Kontrolle bringen konnte. Minutenlang versuchte er, den Husten zu unterdrücken, aber immer wieder platzte es bellend aus ihm hervor, bis zwei Zuschauer sich bei ihm beschwerten, weil sie dem Krawall auf der Bühne nicht mehr folgen konnten.
    Der Husten wurde schlimmer. Rodraeg bekam Schmerzen und Schwierigkeiten beim Atmen. Naenn sah ihn besorgt an.
    Â»Ich gehe kurz raus«, würgte er mühsam hervor. »Das hat keinen Sinn so.«
    Â»Soll ich mitkommen?«
    Â»N-n. Du … verpaßt ja sonst… das tolle Finale.«
    Hustend und röchelnd verließ er das Gebäude. Draußen an der runden Sitzbank beugte er sich vornüber, stützte die Hände auf die Knie und hustete, bis ihm fast schwarz vor Augen wurde.
    Die Vergiftung. Es gab kein Entkommen. Das Schwarzwachs, das er während der Gefangenschaft eingeatmet hatte, wütete und wucherte in seinem Inneren wie ein Tier, das den Ausbruch aus einem zu engen Käfig begehrte.
    Als der Anfall vorüber war, war Rodraeg naßgeschwitzt und

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