Die Leute mit dem Sonnenstich
dienstbereit an.
»Dann machen Sie jetzt ein lustiges Gesicht, auch wenn Ihnen nicht danach zumute ist. Erzählen Sie mir Ihre besten Witze oder auch die aus der Mottenkiste, es kommt gar nicht darauf an. Seien Sie nett zu mir und lachen Sie, wenn wir nachher ein Stück hinausschwimmen — Sie können doch schwimmen, wie?«
»Natürlich! Ich s-tamme schließlich von der Waterkant!«
»Na schön, dann lachen Sie also so laut und herzlich wie möglich, balgen Sie sich mit mir herum und bespritzen Sie mich mit Wasser! Kriegen Sie das fertig?«
»Mit Ihnen zu scherzen fällt mir nicht schwer, Fräulein Holls-tein. Aber erlauben Sie mir die Frage: wozu das alles?«
»Das werde ich Ihnen morgen erzählen«, sagte Barbara und lächelte ihn rätselhaft an.
6
Marion saß mit steinernem Gesicht in der halbdunklen Hütte. Ihr Vater näherte sich ihr liebevoll, aber Marion stieß ihn schroff zurück. Wie das von dem bösen Bären beleidigte Zaunkönigskind im Märchen erklärte sie mit bebender Stimme, von ihrem Vater nicht eher wieder etwas wissen zu wollen, als bis er ihr für den ihr angetanen Schimpf Genugtuung verschafft habe.
Herr Keyser glaubte in dieser Hinsicht bereits genug — bei sich meinte er sogar, mehr als genug — getan zu haben. Nicht genug für Marion! Denn sie verlangte allen Ernstes, er solle Steffen auszahlen und aus der >Keyserschen Druckanstalt< hinauswerfen.
Gott mochte wissen, wie sie sich das vorstellte!
Ihr Vater versuchte ohne Erfolg, ihr klarzumachen, daß man geschäftliche und persönliche Angelegenheiten zu trennen verstehen müsse.
Marion nannte das den Höhepunkt von Charakterlosigkeit.
Da ließ Herr Keyser sich zu dem folgenschweren Schritt verleiten, Thomas Steifen zu verteidigen. Mit unendlich gewundenen und vorsichtigen Worten — als bohre er einen Korkenzieher in einen brüchigen Pfropfen — versuchte er, Marion die Gründe beizubringen, die Steffen veranlaßt hatten, sich zu seinem Ausfall hinreißen zu lassen. Daß Steffen seit langer Zeit eine heimliche Neigung zu Marion im Herzen trage, daß er im Grunde ein anständiger, reizender Mann sei und daß er wahrscheinlich nur aus der tiefen Enttäuschung, daß Marion so gar nichts von seinen innigen Bemühungen um sie gemerkt habe, dazu gekommen sei, seinen unerwiderten, ja zurückgewiesenen Gefühlen Luft zu machen. Gewiß, das gebe er unumwunden zu: der Auftritt, den sich Steffen geleistet habe, sei ungezogen und empörend gewesen — aber andererseits wiederum doch ganz erfreulich, nicht wahr, da man aus ihm doch auf einen durchaus männlichen Kern hinter der allzu glatt geschliffenen Oberfläche Steffens schließen könne.
Marion rührte und regte sich nicht.
Und Herrn Keyser trat der blanke Schweiß auf die Stirn. Seine wohlgebauten Satzgefüge verzappelten kläglich. Marions Augen glitzerten hinter strichschmal zusammengezogenen Lidern wie kalte Steine, und unter diesem eisigen Blick fühlte Herr Keyser sich nackt und gläsern durchsichtig. Es waren schreckliche Augenblicke für ihn, als hätte er in seiner Druck- und Klischeeanstalt Banknoten gefälscht und man wäre ihm dahintergekommen. Jetzt wußte Marion alles! Jetzt wußte sie, daß er gegen sie intrigiert hatte, jetzt durchschaute sie die Absichten, mit denen er sie überredet hatte, Steffen auf diese Fahrt mitzunehmen.
»Marion, mein liebes Mädchen«, stammelte er, »du mußt doch spüren, daß ich es nur gut mit dir gemeint habe!«
Aber ihre Antwort war Schweigen. Sie sah ihn nicht einmal mehr an.
»Versuch doch, mich zu verstehen, Kind! Ich wollte später nicht allein sein. Ich dachte es mir so hübsch, dich und Steffen in meiner Nähe zu behalten. Und wenn ich einmal die Augen zumache, dann bleibt die >Keysersche Druckanstalt< in der Familie — unter tüchtiger Leitung. Denn Steffen ist tüchtig! Ein Fachmann, wie man sich ihn zum Schwiegersohn nicht besser wünschen kann!«
Er spürte mit Unbehagen, daß alles, was er vorbrachte, so klang, als hätte er bei seinen Zukunftsplänen weniger an das Glück seiner Tochter als an sich selber gedacht.
Marion preßte die Lippen zusammen und schloß die Augen vor Empörung. Seinen Egoismus hätte sie ihm noch verziehen. Aber daß in seinen Gedanken die >Keysersche Druckanstalt< an vorderster Stelle rangierte und daß sie aus Geschäftsrücksichten verkuppelt werden sollte, brachte ihren Zorn zur Weißglut.
»Du wirst dich von Steffen trennen!« fauchte sie ihren Vater an.
»Ich denke nicht daran!« fuhr er
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