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Die Leute mit dem Sonnenstich

Die Leute mit dem Sonnenstich

Titel: Die Leute mit dem Sonnenstich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Biernath
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verloren haben, und schildern Sie dort die Verlegenheit, in der sich die beiden Herren hier befinden. Soviel mir bekannt ist, hat die Polizei die Pflicht, Ihnen zu helfen und die Summe vorzustrecken, die Sie dazu brauchen, um heimzukommen.«
    Herr Keyser schlug sich mit der flachen Hand geräuschvoll vor die Stirn: »Natürlich, Marion! Du gehst sofort zur Polizei! Daß wir auf den einfachsten Gedanken nicht von selbst gekommen sind!«
    Aber er hatte bei seiner Tochter kein Glück damit. Ihr trotziger Eigensinn blieb ungebrochen. Sie wollte in dieser Angelegenheit, die sie aus unerfindlichen Gründen lächerlich und blamabel nannte, mit der Polizei schon gar nichts zu tun haben.
    »Ich bitte dich um alles in der Welt, Paps! Das soll ich auf einem Polizeirevier grinsenden Schutzleuten erzählen?«
    Herr Steffen lief plötzlich rot an. Er verfärbte sich am ganzen Körper, riß die erloschene Zigarre wie einen Pfropfen mit einem schnalzenden Geräusch aus dem Mund, betrachtete sie sekundenlang mit höchster Konzentration, schloß die Finger um sie herum und zerdrückte sie zu Krümeln: »Mit einem Wort«, stieß er in höchster Wut hervor, »Sie wollen überhaupt nichts unternehmen, uns von hier fortzubringen! Sie wünschen, daß wir auf dieser verdammten Insel sitzen bleiben, solange es Ihnen genehm ist! Und weshalb ist es Ihnen genehm? Weil Ihnen ein Flirt mit diesem widerlichen Kerl konveniert, dessen abs-toßende Mördervisage Sie interessant finden! Und Sie sind herzlos genug, Ihren Herrn Vater und mich einer Laune zu opfern und hier in dieser lächerlichen und beschämenden Situation schmoren zu lassen. Und leider ist Ihr Herr Vater immer schwach genug gewesen, jeder Ihrer verrückten Launen nachzugeben. Leider hat er in Ihrer Erziehung eines versäumt, was ich nicht versäumt hätte, wenn ich Ihr Vater gewesen wäre: er hat nämlich versäumt, sich einen Rohrs-tock anzuschaffen, als Sie noch in einem Alter waren, in dem dieses Ins-trument Wunder verrichten kann, die s-pätere Erziehungsversuche mit Worten allein nicht mehr zu erzielen vermögen!«
    Er war herrlich in seinem Zorn. Er war so herrlich, daß Barbara ihm am liebsten einen Kuß gegeben hätte.
    Und sowohl für Marion als auch für ihren schwachen Vater ‘ war dieser Vulkanausbruch so überraschend gekommen, war ein aus der Haut fahrender und wetternder Steffen solch eine unerwartete Erscheinung, daß sie ihn in sprachlosem Erstaunen anstarrten. Und erst, als er mit seinem langen Monolog fertig war, ja, erst als er eigentlich schon mehr gesagt hatte, als er je zu sagen sich vorgenommen hatte, fand Marion die Sprache wieder.
    »Und so etwas läßt du dir sagen?« funkelte sie ihren Vater an.
    Herr Keyser saß wie zerschmettert am Boden und preßte nur? die Hände flach gegen seine Herzgrube.
    Marion zitterten die Lippen, sie war kreidebleich: »Du läßt dich und mich beleidigen und sitzt stumm wie ein Fisch dabei? Du nimmst mich nicht in Schutz? Gut, dann werde ich Herrn Prack bitten müssen, mich gegen derartige Rüpeleien zu schützen!«
    Wenn sie etwa geglaubt hatte, Steffen damit besonders tief zu treffen, dann irrte sie sich, denn das, was sie angedroht hatte, verlangte er sogar von ihr. »Ja, tun Sie es nur, Fräulein Marion! } Ich bitte Sie sogar darum! Aber haben Sie auch die Freundlichkeit, Ihrem Beschützer alles genau zu wiederholen, was ich Ihnen gesagt habe!«
    Marion bewegte die Lippen, aber sie brachte lange keinen Laut heraus.
    »Sie — Sie — Sie...!« stammelte sie schließlich dreimal hintereinander.
    »Marion, beherrsch dich!« flehte der Alte Herr, der sich an- 1 scheinend auf etwas Fürchterliches gefaßt machte, und rang die Hände.
    Barbara aber deutete mit dem Daumen nach rückwärts und blickte Marion freundlich an: »Herr Prack liegt hinter der Hütte j in der Sonne. Sie finden ihn dort, wenn Sie ihn brauchen sollten.«
    Marion drehte sich um. Wortlos ging sie davon, aber nicht | etwa zu Michael, sondern sie verschwand in der Hütte und schlug! deren Tür mit lautem Knall hinter sich zu.
    Herr Keyser wackelte schrecklich mit dem Kopf: »Nun ist alles aus«, klagte er seufzend, »alles aus — restlos aus! Was haben Sie nur angestellt, Steffen? Ich habe Sie ja nicht wiedergekannt! So habe ich Sie ja noch nie erlebt! Wie konnten Sie nur?«
    »Weil Sie es nicht konnten, Herr Keyser«, schleuderte Steffen Marions Vater entgegen, »und weil einer von uns endlich einmal den Mut aufbringen mußte, vor der jungen Dame energisch

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