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Die Leute mit dem Sonnenstich

Die Leute mit dem Sonnenstich

Titel: Die Leute mit dem Sonnenstich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Biernath
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auch, wenn ich schlicht und einfach bravo sage.«
    »Wie soll ich das vers-tehen?« fragte er erstaunt.
    »Lassen Sie sich die Hand drücken! Es war einfach fabelhaft, wie Sie diesem Fräulein Marion und ihrem allzu schwachen Papa eben die Leviten gelesen haben!«
    Er schüttelte den Kopf und preßte die Fingerspitzen gegen die schmerzenden Schläfen: »War es sehr schlimm? Habe ich mich fürchterlich betragen?«
    »Was fällt Ihnen ein?« fragte sie kopfschüttelnd. »Was Sie den beiden Herrschaften erzählt haben, klang so gut, als hätten Sie sich darauf tagelang vorbereitet! Kein einziges Wort hätte ich davon abstreichen mögen! Es war die Wahrheit, die reine Wahrheit und nichts als die Wahrheit!«
    »Meinen Sie?« murmelte er zaghaft. »Nun, jetzt weiß ich wirklich nicht mehr, wie ich den Mut gefunden habe, das auszus-prechen, was Sie die Wahrheit nennen.«
    »Hören Sie!« rief Barbara händeringend. »Zerstören Sie doch nicht mutwillig den ersten, wirklich guten Eindruck, den Sie auf mich gemacht haben. Sie waren großartig!«
    »Wie bitte?«
    »Oh, ich meine damit, daß Sie wie ein Mann aufgetreten sind, wie ein hundertprozentiger Mann!«
    »Wirklich?« fragte er geschmeichelt. Aber das Hochgefühl war nur von kurzer Dauer. »Vers-tehen Sie, Fräulein Holls-tein, nicht das bedrückt mich, daß ich es überhaupt gesagt habe — denn einmal mußte ich meinem Herzen Luft schaffen. Aber die Form, in der ich meiner Meinung Ausdruck verlieh, hätte weniger verletzend sein müssen.«
    »Form hin — Form her«, sagte Barbara, »darüber machen Sie sich nur keine Gedanken. Auf den Inhalt kam es an! Und der war goldrichtig!«
    Steffen nickte ziemlich schwach.
    »Aber was soll nun werden?« fragte er. »Wie soll das weitergehen? Die Situation ist ja völlig unmöglich geworden. Sehen Sie: Herr Keyser ist mein Geschäftspartner — von jetzt an nur noch Geschäftspartner, während er mir früher freundschaftlich gesinnt war — und Fräulein Marion ist seine Tochter. Irgendeine andere Bekanntschaft bricht man nach solch einem Vorfall ab, oder man geht sich nach einer Verstimmung für ein paar Tage aus dem Wege und wartet so lange ab, bis über die leidige Entfremdung Gras gewachsen ist. Aber wie soll das hier werden, wo man zu fünfen auf ein paar Quadratmetern Erde zusammengepfercht ist? Wo man sozusagen bei jedem Schritt und Tritt übereinander stolpert? Mit Herrn Keyser käme ich auch hier noch auf irgendeine Art zu einem Einvernehmen. Der Alte Herr ist nicht nachtragend. Ich weiß das. Aber Fräulein Marion?«
    »Ich verstehe Sie nicht, Herr Steffen«, sagte Barbara und tat sehr erstaunt, »haben Sie etwa die Absicht, hierzubleiben? Das hielte ich allerdings für völlig unmöglich.«
    Es klang, als wäre jedes Wort des letzten Satzes dreifach unterstrichen.
    »Das ist leicht gesagt. Aber wie soll ich von hier fortkommen?« Steffen fuhr mit den Fingerspitzen von der Schulter über Brust und Badehose bis zum Knie hin. »Etwa nackt?«
    Barbara brach einen Weidenzweig ab, der sie am Halse kitzelte, und streifte die Blätter ab. Mit der dünnen Gerte malte sie Kreise und Figuren ins Wasser.
    »Das müßte man sich einmal genau überlegen«, murmelte sie nachdenklich.
    »Das schafft mir leider keinen Anzug, kein Hemd und keine Krawatte herbei.«
    Barbara ließ den Zweig ins Wasser schnellen und schaute ihm nach, wie er, von den Strudeln hinter der Inselspitze gedreht, lange in der Nähe kreiselte, bis ihn plötzlich der Strom packte, ins freie Fahrwasser riß und entführte. Und plötzlich, aus dem Nichts geboren, wie ein Funke aus dem Raum, sprang ein Plan in ihrem Kopf auf.
    »Sie sind doch fest entschlossen, die Insel so rasch wie möglich zu verlassen!« sagte sie. Es klang nicht wie eine Frage, sondern es klang, als suggeriere sie Herrn Steffen diesen Gedanken mit allem Nachdruck. »Ich meine, Sie sind dazu doch fest entschlossen, auch wenn Sie Herrn Keyser und seine Tochter hier zurücklassen müßten!«
    »Gewiß«, antwortete er, »selbstvers-tändlich!« Die Festigkeit seines Entschlusses schien allerdings mehr daher zu stammen, daß er jede reale Möglichkeit, von der Insel zu entkommen, verbaut sah und für unmöglich hielt.
    Barbara zog die Beine an und verschränkte die Arme über den Knien. Eine Weile lang schaukelte sie in dieser — einer gymnastischen Übung ähnelnden — Stellung hin und her.
    »Wollen Sie mir einen Gefallen tun, Herr Steffen?« fragte sie schließlich.
    Er nickte eifrig und sah sie

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