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Die Leute mit dem Sonnenstich

Die Leute mit dem Sonnenstich

Titel: Die Leute mit dem Sonnenstich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Biernath
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anläßlich solcher Gelegenheiten stets ein wahrer Wolfshunger einstellt. Nach einem soliden Krach konnte er Berge vertilgen. Die Entdeckung, daß auch die Lebensmittelvorräte verschwunden waren, goß also Benzin auf die schwelende Glut seiner Erbitterung über Barbaras Flucht.
    Glücklicherweise war Herr Keyser gewitzt genug, zu behaupten, es sei ihm einmal so vorgekommen, als hätte sich jemand während der Nacht in der Hütte zu schaffen gemacht. So tückisch und gewissenlos, die Entflohenen direkt zu beschuldigen, sie hätten die Vorräte gestohlen, war er nicht; aber auch seine vage Erklärung genügte, um den Blitz von ihm abzulenken.
    Das Verschwinden der Lebensmittel ließ Michael glauben, Barbara habe die Vorräte in der Absicht mitgenommen, ihn auszuhungern und ein weiteres Verweilen auf der Insel für ihn und die Keysers unmöglich zu machen. Kleinkriegen wollte sie ihn! Zur Kapitulation wollte sie ihn zwingen! Oder war Steffen etwa der Übeltäter? Aus Eifersucht wegen seines Flirts mit Marion? Selbstverständlich, wer anders als Steffen konnte es gewesen sein, denn in Barbaras Art lag solch eine heimtückische Handlungsweise nie und nimmer! Das wiederzugeben, was Michael mit Herrn Steffen anzustellen versprach, falls dieser ihm jemals unter die Finger käme, widerspricht den einfachsten Geboten der Schicklichkeit und des Anstands.
    Herrn Keyser überlief es, wenn er hören mußte, was ihm geschehen wäre, wenn er sich als Täter bekannt hätte, wie ein Wechselbad, einmal heiß und einmal eiskalt. Schließlich, als es gar zu arg wurde und die Phantasie mit Michael wie ein wildgewordener Gaul durchging, erlaubte er sich, Michael darauf aufmerksam zu machen, daß er sich in Gegenwart einer Dame befinde.
    Michael sah sich erstaunt um, fragte Herrn Keyser, ob er mit der Dame etwa seine Tochter Marion meine, und besaß hinterher noch die Unverschämtheit, durch die Nase zu kichern und >Dame!< zu sagen.
    Es war wirklich ein äußerst ungemütlicher Vormittag. Michael hatte schon an jenem Abend, als die drei Schiffbrüchigen auf der Insel strandeten, nicht gerade blumenreich gesprochen. Aber heute übertraf und überschlug er sich geradezu in Kraftausdrücken. Herr Keyser murmelte, er benehme sich geradezu agronomisch. Das hatte nichts mit Ackerbau und Viehzucht zu tun, sondern bezeichnete in seinem Sprachschatz einfach einen nicht mehr zu überbietenden Höhepunkt.
    In einem unbeobachteten Moment jedoch verzehrte der Alte Herr die Hälfte des gestern abend wohlverwahrten Mundvorrats. Er war kein Rabenvater, sondern er hoffte darauf, Marion in einem geeigneten Zeitpunkt die andere Hälfte des Schinkenbrotes zustecken zu können. Mochte dieser Kerl zusehen, wovon er satt wurde! Herr Keyser machte aus seinen Gefühlen für Michael kein Hehl, er konnte ihn einfach nicht ausstehen, und es tat ihm in der Seele weh, daß Marion an dem rüden Burschen noch immer Gefallen zu finden schien; mehr als das: daß sie sich um ihn sorgte und es überhaupt nicht bemerken wollte, wie skandalös sie von ihm behandelt wurde. Womöglich hätte sie es fertiggebracht, ihm das halbe Schinkenbrot zuzustecken! Womöglich? Fraglos hätte sie es ihm angeboten, und fraglos hätte der Kerl nie daran gedacht, ihr auch nur einen Bissen abzugeben. Diese Überlegungen führten Herrn Keyser dazu, schweren Herzens, aber mit gesundem Appetit auch noch den Rest des Brotes und die beiden harten Eier zu verzehren. Er beobachtete die beiden aus seinem Schlafversteck und ballte die Fäuste, wenn er sah, wie sich sein Mädel vor diesem Rüpel demütigte.
    »Wenn Sie mir helfen würden, Michael, mein Boot zu flicken,: dann würde ich einmal hinüberfahren und mich umsehen, ob hier nicht irgendwo in der Nähe ein Bauernhof zu finden ist, wo man etwas zu essen kaufen kann...«
    Statt dem Kerl einen Tritt zu geben, ihm Gummilösung und Flickzeug vor die Füße zu schmeißen und nichts zu sagen, sondern nur mit einer Kinnbewegung auf das Boot hinzudeuten!
    »... denn ich meine doch, daß es hier in der Umgebung ganz gewiß ein Gehöft geben wird, wo man ein paar Eier, ein Stück Speck und ein wenig Brot kaufen kann.« Und entgegnete der Kerl nicht tatsächlich, sie möge ihren Kahn gefälligst selber zurechtflicken und in Ordnung bringen! Das durfte dieser Mensch wagen, ohne daß sie ihm wie eine Katze ins Gesicht sprang!
    »Ich weiß nicht, ob ich es allein fertigbringe. Der Riß ist arm-lang, und wenn man den Flickstreifen nur ein wenig schief ansetzt,

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