Die Leute mit dem Sonnenstich
Waterkant einiges übrig hatte. Gleich nach Thomas Steffens ersten Worten rief er: »Hummel-Hummel!« und Steffen war klug genug, den Gruß in der landesüblichen Art zu erwidern. Er sperrte den Bootsschuppen auf und war Barbara sogar behilflich, das Boot aus dem Wasser zu heben und hinüberzutragen. Als ob ein alter Seesoldat nicht wüßte, was sich einer Dame gegenüber schickte! Und es fiel ihm auch nicht ein, zu bemerken, daß die Stunde für eine Ankunft ziemlich ungewöhnlich sei. Es waren eben Paddler, die nicht mit seinen sonstigen seriösen Gästen zu vergleichen waren.
Während Barbara und Steffen die Boote unterbrachten und sich für den Gang in die Stadt zurechtmachten, holte Herr Beutelmoser das Gästebuch zum Eintrag herbei. Das war so üblich und in der Ordnung, und wenn sie Ruderer gewesen wären, dann hätte er sie sogar um einen lustigen Vers oder um eine komische Zeichnung gebeten — aber bei Faltbootfahrern tat es auch der Name allein. Barbara schrieb sich zuerst ein. Dann kam Thomas Steffen an die Reihe. Herr Beutelmoser schielte ihm über die Schulter. Wie er es sich gedacht und erwartet hatte: verheiratet waren die beiden natürlich nicht.
Aber dann stutzte Herr Beutelmoser.
»Also Steffen heißen Sie? Thomas mit Taufnamen. Sie, das ist direkt komisch!«
»Komisch?« Thomas Steffen konnte an seinem Namen nichts Komisches finden und brachte das auch zum Ausdruck.
»Ich mein’ ja nur«, erklärte Herr Beutelmoser, »weil nämlich ein gewisser Steffen, Thomas mit Taufnamen, vor zwei oder drei Tagen ein Stück stromauf ersoffen sein muß. Sein Faltboot mit Uhr, einem Haufen Geld, zwei kompletten Anzügen — wozu der gleich zwei Anzüge auf ‘ne Faltboottour mitgenommen hat, möcht’ ich wissen! — und einer ganzen Menge anderem Gelump haben die Fischer gestern hier vor der Brücke herausgezogen, und jetzt fischen sie allweil nach der Leiche...«
»Mann Gottes«, schrie Thomas Steffen. »Das bin ja ich! Das ist mein Faltboot! Das ist mein Anzug und mein Zeug! Das andere, mit dem ich hergekommen bin, gehört ja nicht mir. Das habe ich mir nur ausgeliehen.«
Es dauerte eine ganze Weile, bis Herr Beutelmoser alles begriff. Und dann kratzte er sich bedenklich den Kopf und sah Thomas Steffen forschend an.
»Sapperment«, brummelte er, »daß Sie keine Leiche nicht sind, das seh’ ich selber. Aber was ist mit den Fischern? Denen wird es nicht wenig stinken...«
»S-tinken?« fragte Steffen verständnislos.
»Denen wird es nicht wenig unangenehm sein!« übersetzte Herr Beutelmoser.
»Aber warum denn?«
»Wegen der ausgesetzten Belohnung von hundertfünfzig Mark.«
»Belohnung? Wofür?«
»Für die Leich’! Bergelohn!«
»Aber ich lebe doch!«
»Ja eben! Deshalb wird es denen stinken...«
Herr Beutelmoser schüttelte den Kopf über so viel Begriffsstutzigkeit und ging über den Rasen zum Flußufer hinunter. Unten angekommen winkte er den Fischern zu und legte die Hände trichterförmig um den Mund.
»Heda! Schorsch, Michl, Sepp!« brüllte er mit gewaltiger Stimme zu den Fischern hinüber. »Hört’s auf und packt’s zamm! Die Leich’ lebt!« Und er deutete auf Thomas Steffen, der ihm über den Rasen zum Flußufer gefolgt war.
»Kruzitürken!« schrien die Fischer verdrießlich zurück und zogen fluchend das Netz ein. »Zwei Tag’ stehn mir jetzt do! Der Depp hätt’ sich auch früher melden kenna, der damische!«
Thomas Steffen wandte sich Herrn Beutelmoser zu: »Bitte, übersetzen Sie doch den wackeren Männern, daß sie ihre ans-trengende Tätigkeit nicht umsonst ausgeübt haben sollen. Die Tatsache, daß ich lebe, ist mir einen Hundertmarkschein wert.«
»Nobel, nobel!« sagte Herr Beutelmoser anerkennend und legte die Hände wieder als Trichter vor den Mund, um den enttäuschten Männern die erfreuliche Botschaft zu übermitteln.
»Und nun sagen Sie mir noch, wo ich mein Boot finden kann, Herr Beutelmoser.«
»Drüben beim Kanuverein, Herr Steffen, da hat es die Wasserpolizei hinterlegt.«
Auch über der Insel stand die Morgensonne freundlich und warm, dennoch war der Vormittag trotz der Beilegung des familiären Zerwürfnisses zwischen Marion und ihrem Vater höchst ungemütlich.
Michael war einfach ungenießbar. Zugegeben, für ihn war die Lage auch am schlimmsten. Denn während sich Aufregungen bei anderen Leuten auf den Magen schlagen, so daß ihnen schon der bloße Gedanke an eine Mahlzeit Übelkeit verursacht, gehörte er zu jenen Naturen, bei denen sich
Weitere Kostenlose Bücher