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Die Leute mit dem Sonnenstich

Die Leute mit dem Sonnenstich

Titel: Die Leute mit dem Sonnenstich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Biernath
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dann gibt es gleich Wellen und Blasen zwischen Flicken und Bootshaut.«
    »Und wenn Ihnen das irgendwo anders und unterwegs passiert wäre, was dann?« fragte er.
    »Nun ja, aber da wäre schließlich Herr Steffen dabeigewesen.«
    »Hören Sie mir bloß mit dieser Niete auf!« knurrte Michael sie an.
    Herr Keyser zog die Unterlippe durch die Zähne. Steffen. Keine Niete, das gewiß nicht! Aber ein Verräter! Oder etwa kein Verräter? Sollte man ihm Gerechtigkeit widerfahren lassen und ihm mildernde Umstände zubilligen? Schließlich war Steffen auch nur ein Mensch. Und Marion hatte ihn miserabel behandelt. War es da so verwunderlich, daß Thomas Steffen nach dem Zusammenbruch seiner Wünsche und Hoffnungen einen Verzweiflungsschritt unternommen hatte? Und war es — obwohl der Augenschein gegen ihn sprach — nicht noch sehr fraglich, ob er wirklich mit diesem Fräulein Hollstein zusammen durchgebrannt war? Solange das nicht feststand und bewiesen war, durfte man ihn nicht voreilig verurteilen, denn es bestand ja immerhin eine Möglichkeit, daß Steffen und Fräulein Hollstein ohne Verabredung, sondern jeder für sich ausgerückt waren.
    »Also los, kommen Sie schon!« sagte Michael unlustig. Das Gefühl, durch den Diebstahl seiner Brieftasche sein Geld los und von Marions letzten Kröten abhängig zu sein, machte ihn nicht heiterer. Daß Steffen das Geld kassiert hatte, um damit durchzugehen, nahm er ja nicht an, aber schon aus Wut war er entschlossen, nur noch eine Frist von einem Tag bis zur Aufgabe der Strafanzeige abzuwarten. Jedenfalls redete er sich das ein und schwor es mit deutlichen Untertönen laut vor Herrn Keyser, als könne derjenige, der einen Dieb zum Sozius habe, auch keinen einwandfreien Charakter besitzen und jeder Niedertracht fähig sein. Ja, er hatte tatsächlich den Humor verloren.
    Die Instandsetzung des Bootes nahm nicht viel Zeit in Anspruch. Zur Vorsicht überklebten sie den Riß innen und außen. Sonst war der Zweier unbeschädigt und nahm, als sie ihn einsetzten, nur das Wasser auf, das er sonst auch gezogen hatte.
    Marion bestand darauf, allein überzufahren. Sie tat geradeso, als ob Michael sich darum gerissen hätte, sie begleiten zu dürfen. Er stieß das Boot mit einem Tritt ab, als ob er Boot und Inhalt am liebsten für immer los gewesen wäre, und Marion überquerte den Strom, machte drüben fest und verschwand in ihrem blauen Leinenkleidchen rasch hinter Damm und Gesträuch, um einen Bauernhof zu suchen.
    Herr Keyser hatte also das zweifelhafte Vergnügen, mit Michael allein auf der Insel zurückzubleiben. Eine Weile wichen sie einander aus, so gut das innerhalb der engen Grenzen von sechzig oder siebzig Schritten im Umkreis möglich war. Dann aber faßte Herr Keyser sich ein Herz und trat Michael gegenüber. Nicht wie ein Wegelagerer natürlich, sondern sozusagen auf leisen Sohlen, wie der Lenz ins Land kommt. Er kam zunächst auf die Wetterlage zu sprechen, fand, daß die Sonne für diese frühe Vormittagszeit schon allzu stark steche, und meinte, ein neuerlicher Umschlag der Witterung könne ihnen beiden in ihrer mangelhaften Bekleidung doch recht gefährlich werden.
    Michael knurrte, was ihn betreffe, so scheue er kein Gewitter und fürchte sich auch vor keiner Abkühlung. Und mit einem fast angewiderten Blick auf Herrn Keysers stattlichen Bauch fuhr er fort, während er die Brust herausdrückte, daß er für seine Person auch keine Bedenken trage, falls das Wetter total umschlüge, im Badeanzug allein ohne Erregung öffentlichen Ärgernisses heimzukommen.
    Herr Keyser biß sich auf die Lippen. Solch eine Wendung des Gesprächs hatte nicht in seiner Absicht gelegen. Was aber das von Herrn Prack angeschnittene Problem anging, so machte es ihm keine Sorgen mehr. Marion hatte acht oder zehn Mark Kleingeld bei sich — weit konnten die nicht reichen. Und dann blieb ihr wohl nichts anderes übrig, als nach Ingolstadt zu fahren und dort die Mittel zur Heimreise aufzutreiben. Das Verputzen der Vorräte war doch ein verdammt feiner Einfall gewesen! Ein Einfall überdies, der ihm diesem ungeschliffenen Lümmel gegenüber ein grimmiges und köstliches Überlegenheitsgefühl gewährte. Wenn der wüßte! Und ferner war auch anzunehmen, daß Thomas Steffen den Ingolstädter Geschäftsfreund schon aufgesucht und ihm — wenn er kein vollkommener Bösewicht war — auch die peinliche Lage seines Seniorpartners nicht verschwiegen hatte, so daß der Mann auf Marions Besuch immerhin vorbereitet

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