Die Libelle
Abschiedsgeschenk von Salma, weil dies doch meine letzte Nacht ist. Wie lieb von ihr. Von ihm. » Wir sind eine Liebesgeschichte », hatte Salma beim Abschied gesagt. » Du fährst jetzt fort, und sobald du fort bist, sind wir ein Traum .«
Ihr Hunde, dachte sie. Ihr verdammten zionistischen Mordhunde. Wäre ich nicht hiergewesen, ihr hättet sie bestimmt ins Jenseits gebombt.
» Unsere Treue besteht darin, hier zu sein «, hatte Salma gesagt.
Kapitel 22
Charlie war nicht die einzige, die die Zeit und ihr Leben an sich vorüberziehen sah. Von dem Augenblick an, da sie die entscheidende Linie überschritten hatte, waren Litvak, Kurtz und Becker - also Charlies frühere Familie - auf die eine oder andere Art gezwungen gewesen, ihre Ungeduld zu zügeln und sich dem ihnen fremden Tempo und der Sprunghaftigkeit ihrer Gegner anzupassen.
»Nichts«, predigte Kurtz mit Vorliebe seinen Untergebenen -und gewiss auch sich selbst, »nichts ist im Krieg schwerer, als sich heroisch zurückzuhalten.«
Kurtz zügelte sich wie nie zuvor in seiner Laufbahn. Allein die Tatsache, dass er seine unscheinbare Armee aus den britischen Breiten abzog, sah - zumindest in den Augen der Fußsoldaten - mehr nach einer Niederlage als nach den Siegen aus, die sie bisher errungen, aber kaum gefeiert hatten. Innerhalb weniger Stunden nach Charlies Abflug wurde das Haus in Hampstead der Diaspora zurückgegeben, der Funkwagen demontiert und die elektronische Ausrüstung -irgendwie in Ungnade gefallen - als Diplomatengepäck nach Tel Aviv zurückgeschafft. Der Lieferwagen selbst wurde, nachdem die falschen Nummernschilder abgeschraubt und die Motorennummern abgefeilt worden waren, zu einem weiteren Autowrack irgendwo neben der Straße zwischen dem Bodmin-Moor und der Zivilisation. Kurtz blieb nicht für dieses Leichenbegängnis in England. Er kehrte schnurstracks in die Disraeli Street zurück, kettete sich widerstrebend an den von ihm gehassten Schreibtisch an und wurde zu eben jenem Koordinator, dessen Aufgaben er Alexis gegenüber so lächerlich gemacht hatte. Jerusalem genoss den linden Zauber einiger winterlicher Sonnentage, und als er von einem geheimen Bürogebäude zum anderen eilte, Angriffe abwehrte und um Unterstützung bettelte, spiegelten sich die goldenen Steine der befestigten Stadt in der schimmernden Bläue des Himmels. Ausnahmsweise empfand Kurtz nur wenig Trost bei diesem Anblick. Seine Kriegsmaschine, so sagte er später, sei zu einem Pferdewagen geworden, bei dem die Pferde in verschiedene Richtungen zogen. Draußen war er - allen Bemühungen Gavrons, das zu unterbinden, zum Trotz - sein eigener Herr; zu Hause, wo jeder zweitklassige Politiker und drittrangige Soldat sich für ein Geheimdienstgenie hielt, hatte er mehr Kritiker als Eliah und mehr Feinde als die Samariter. Sein erster Kampf ging um den Fortbestand von Charlies Existenz und damit vielleicht auch seiner eigenen - eine Art Pflichtübung, die begann, kaum dass Kurtz Gavrons Büro betreten hatte. Gavron, die Krähe, stand bereits und hatte die Arme erhoben, als ginge er für die Keilerei in Stellung. Sein struppiges Haar war zerzauster denn je.
»Nun, gut amüsiert?« quäkte er. »Sich den Bauch mit gutem Essen vollgeschlagen? Wie ich sehe, haben Sie da draußen ganz schön zugenommen.«
Ein Wort gab das andere, und beide legten los; ihr Geschrei hallte durchs ganze Haus, und sie beschimpften sich und hämmerten mit der geballten Faust auf den Tisch wie bei einem die Atmosphäre reinigenden Ehestreit. Kurtz habe doch Fortschritte versprochen - was denn damit sei? wollte die Krähe wissen. Wo denn die große Abrechnung bleibe, von der er geredet habe? Und was habe er da über Alexis gehört, wo er Marty doch ausdrücklich angewiesen habe, nicht mit diesem Mann weiterzumachen? »Wundert es Sie, dass ich da meinen Glauben verliere - so viel Einsatz und Geld, so viele Befehle, um die Sie sich einen Dreck geschert haben, und so magere Ergebnisse?« Zur Strafe verpflichtete Gavron ihn, an einer Sitzung seines Lenkungsausschusses teilzunehmen, in dem inzwischen von nichts anderem als vom letzten Mittel die Rede war. Kurtz musste sich den Mund fusselig reden, nur um sie zu einer Modifizierung ihrer Pläne zu bewegen.
»Aber was hast du denn laufen, Marty?« wollten seine Freunde mit eindringlich gedämpfter Stimme auf den Korridoren wissen. »Gib uns doch zumindest einen Hinweis, damit wir wissen, warum wir dir helfen.«
Sein Schweigen verletzte sie, und wenn sie
Weitere Kostenlose Bücher