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Die Libelle

Die Libelle

Titel: Die Libelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John le Carré
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gingen und er allein dastand, kam er sich noch mehr wie ein schäbiger Beschwichtiger vor.
    Es gab noch andere Fronten, an denen gekämpft werden musste. Um Charlies Vorrücken im Feindesland zu überwachen, war er gezwungen, mit dem Hut in der Hand zu jener Regierungsstelle zu gehen, deren Hauptaufgabe es war, Untergrund-Kurierlinien und Lauschposten an der Nordostküste zu unterhalten. Der Leiter, ein Sephardim aus Aleppo, hasste jeden, aber Kurtz ganz besonders. Wer weiß, wohin ihn eine solche Observierung bringe, wandte er ein. Wo er denn mit seinen eigenen Unternehmungen bleibe? Und drei von Litvaks Observanten draußen Unterstützung zu gewähren, bloß um dem Mädchen in der neuen Umgebung das Gefühl von Gemütlichkeit zu geben - nun, bei ihnen werde niemand so mit Samthandschuhen angefasst. Es sei einfach nicht zu machen. Es kostete Kurtz Blutopfer und alle möglichen Zugeständnisse unter der Hand, um jenes Maß an Zusammenarbeit zu erreichen, das er brauchte. Aus diesen und ähnlichen Abmachungen hielt Misha Gavron sich wohlweislich heraus; er vertraute darauf, dass die Kräfte des Marktes eine natürliche Lösung fanden. Wenn Kurtz fest genug an etwas glaube, sagte er seinen Leuten insgeheim, werde er auch damit durchkommen; ihn ein bisschen an die Kandare zu nehmen und ab und zu auch mal die Peitsche kosten zu lassen, schade einem solchen Mann nicht, sagte Gavron. Da Kurtz Jerusalem ungern auch nur für eine Nacht verließ, während all diese Dinge eingefädelt wurden, übertrug er es Litvak, den Pendelverkehr mit Europa aufrechtzuerhalten und als sein Abgesandter das Observierungsteam zu stärken und umzubilden, vor allem aber auf jede nur denkbare Weise auf das vorzubereiten, wovon alle inbrünstig hofften, dass es die Schlussphase sein würde. Die unbeschwerten Münchener Tage, wo ein paar Leute in Doppelschicht ausgereicht hatten, um für alle Eventualitäten gewappnet zu sein, waren endgültig vorüber. Um das himmlische Trio von Mesterbein, Helga und Rossino rund um die Uhr im Auge zu behalten, hatten ganze Trupps von Außenarbeitern rekrutiert werden müssen - die alle Deutsch sprechen mussten, das bei vielen mangels Übung schon recht eingerostet war. Litvaks Misstrauen gegenüber nichtisraelischen Juden machte das alles nur noch schwieriger, aber er wollte auch nicht nachgeben: sie seien zu zimperlich, wenn es galt, hart zuzupacken; in ihrer Loyalität zu gespalten. Auf Kurtz’ Befehl flog Litvak sogar nach Frankfurt zu einem heimlichen Treffen mit Alexis am Flughafen, teils um seine Hilfe bei den Observierungsarbeiten zu bekommen, teils auch - wie Kurtz es ausdrückte -, um festzustellen, wie viel »Rückgrat«, eine besonders rare Eigenschaft, er habe. Auf jeden Fall war die Erneuerung ihrer Bekanntschaft eine Katastrophe, denn die beiden Männer konnten sich auf den ersten Blick nicht ausstehen, ja, schlimmer noch: Litvaks Meinung bestätigte nur eine früher von Gavrons Psychiatern gemachte Vorhersage: dass man Alexis nicht einmal eine gebrauchte Bus-Fahrkarte anvertrauen könne.
    »Die Entscheidung ist gefallen«, verkündete Alexis Litvak, noch ehe sie überhaupt Platz genommen hatten; und verkündete das in einem erbosten, halb geflüsterten, halb zusammenhanglosen Monolog, bei dem er immer wieder ins Falsett umschlug. »Und ich revidiere eine Entscheidung nie; dafür bin ich bekannt. Gleich nach unserer Besprechung gehe ich zu meinem Minister und rede mir alles von der Seele. Für einen Ehrenmann gibt es keine Alternative.« Alexis, so stellte sich rasch heraus, war nicht nur anderen Sinnes geworden, sondern hatte auch politisch eine Kehrtwendung gemacht. »Nichts gegen die Juden - als Deutscher hat man schließlich ein Gewissen -, aber nach bestimmten Erfahrungen, die ich in der letzten Zeit gemacht habe - ein gewisser Bombenanschlag -gewisse Maßnahmen, zu denen man gezwungen, ja, geradezu erpresst wurde-, geht einem auch auf, warum die Juden im Laufe der Geschichte immer wieder Verfolgungen ausgesetzt waren. Verzeihen Sie mir.«
    Litvak sah ihn finster-beherrscht an und verzieh ihm gar nichts. »Ihr Freund Schulmann - ein fähiger Mann, beeindruckend - und auch überzeugend -, Ihr Freund kennt keine Mäßigung. Er hat auf deutschem Boden ohne jede Ermächtigung von unserer Seite Gewalttaten verübt und ist von einer Maßlosigkeit, wie sie zu lange uns Deutschen zugeschrieben wurde.« Litvak hatte die Nase gestrichen voll. Krank und bleich aussehend,
    hatte er die Augen abgewandt,

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