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Die Libelle

Die Libelle

Titel: Die Libelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John le Carré
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vielleicht, um das Funkeln darin zu verbergen. »Warum rufen Sie ihn nicht an und sagen ihm das selbst?« hatte er vorgeschlagen. Und Alexis hatte es getan. Vom Fernsprechamt am Flugplatz, unter einer besonderen Nummer, die Kurtz ihm gegeben hatte, während Litvak neben ihm stand und sich die Mithörmuschel ans Ohr hielt.
    »Tja, dann tun Sie das, Paul«, riet Kurtz ihm von ganzem Herzen, nachdem Alexis fertig war. Dann veränderte sich seine Stimme: »Und wenn Sie schon mit Ihrem Minister sprechen, Paul, vergessen Sie nicht, ihm auch von Ihrem Schweizer Bankkonto zu erzählen. Denn wenn Sie das nicht tun, könnte Ihre beispielhafte Aufrichtigkeit mich dazu bringen, hinzufliegen und ihn persönlich darüber zu informieren.«
    Anschließend gab Kurtz seiner Telefonzentrale die Anweisung, die nächsten achtundvierzig Stunden keine Anrufe von Alexis zu ihm durchzustellen. Aber Kurtz nahm nichts übel. Jedenfalls Agenten nicht. Nachdem die Abkühlungsperiode vorüber war, nahm er sich einen Tag frei und pilgerte selbst nach Frankfurt, wo er feststellte, dass der gute Doktor sich recht gut erholt hatte. Die Anspielung auf das Schweizer Bankkonto, auch wenn Alexis sie bekümmert ›unsportlich‹ nannte, hatte ihn wieder nüchtern gemacht. Doch was am meisten zu seiner Besserung beigetragen hatte, war der freudige Umstand, dass er sich im Mittelteil eines viel gelesenen deutschen Boulevardblattes abgebildet gefunden hatte - entschlossen, engagiert und stets mit dem untergründigen Alexis’schen Witz -, was ihn davon überzeugte, dass er wirklich der war, als den sie ihn hinstellten. Kurtz tat nichts, um ihm diese glückliche Lebenslüge zu zerstören, und als Preis dafür brachte er seinen überarbeiteten Analytikern einen quälend-interessanten Anhaltspunkt mit, den Alexis ihnen in seinem Groll vorenthalten hatte: die Fotokopie einer an Astrid Berger, einem ihrer vielen Tarnnamen, adressierten Ansichtskarte. Handschrift unbekannt, Poststempel: Paris, 17. Arrondissement. Auf Befehl von Köln von der deutschen Post abgefangen. Der Text, der in Englisch geschrieben war, lautete folgendermaßen: »Der arme Onkel Frei wird nächsten Monat wie geplant operiert. Das passt insofern gut, als Du Vs Haus benutzen kannst. Wir sehen uns dort. Herzlichst, K.«
    Drei Tage später ging eine zweite Postkarte in derselben Handschrift, die an eine weitere sichere Adresse der Berger gerichtet war, in dasselbe Schleppnetz; diesmal war der Poststempel Stockholm. Alexis, der wieder voll und ganz mitarbeitete, ließ sie per Sonderkurier zu Kurtz fliegen. Der Text war kurz: »Blinddarmoperation Frei am 24., 18 Uhr, Zimmer 251.« Und die Unterschrift lautete »M«, was für die Analytiker bedeutete, dass ihnen ein Glied in der Kommunikationskette fehlte: zumindest war das das Muster gewesen, nach dem Michel von Zeit zu Zeit seine Befehle erhalten hatte. Doch die Postkarte mit der Unterschrift »L« wurde trotz aller Anstrengungen niemals gefunden. Dafür geriet zweien von Litvaks Mädchen ein Brief in die Hände, den das Wild - in diesem Falle die Berger - persönlich einsteckte und der an niemand Geringeren adressiert war als Anton Mesterbein in Genf. Sie machten ihre Sache sehr elegant. Die Berger war nach Hamburg gefahren und übernachtete bei einem ihrer vielen Liebhaber in einer Oberschicht-Wohngemeinschaft in Blankenese. Als sie ihr eines Tages auf dem Weg in die Stadt folgten, sahen sie, wie sie verstohlen einen Brief einwarf. Sobald sie weg war, steckten sie selbst einen Brief ein, einen großen gelben Umschlag, der für einen solchen Fall bereitgehalten, fix und fertig adressiert und frankiert war und auf den anderen Brief zu liegen kam. Dann bezog die hübschere von den beiden vor dem Briefkasten Posten. Als der Postbeamte kam, um ihn zu leeren, erzählte sie ihm eine rührselige Geschichte über Liebe und Wut und machte so freimütige Versprechen, dass er schafsköpfig grinsend daneben stand, als sie ihren Brief aus den vielen anderen herausfischte, ehe er ihr ganzes Leben zerstörte. Nur, dass es nicht ihr, sondern Astrid Bergers Brief war, der genau unter dem großen gelben Umschlag lag. Nachdem sie den Brief über Dampf geöffnet und fotografiert hatten, steckten sie ihn so rechtzeitig wieder in denselben Briefkasten, dass er mit der nächsten Leerung abging. Der Preis war ein achtseitiger Erguss von Schulmädchenleidenschaft. Sie musste high gewesen sein, als sie ihn geschrieben hatte, wenn vielleicht auch nur von ihrem eigenen

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