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Die Libelle

Die Libelle

Titel: Die Libelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John le Carré
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Wohl anstoßen und dabei ein bisschen plaudern. Sie hatte Gläser und eine Flasche auf einem Brotbrett balanciert und war gerade dabei, dieses feierlich durch den Raum zu tragen. Doch als sie das Klingeln vernahm, erstarrte sie zur Salzsäule, setzte das Brotbrett auf dem zufällig in der Nähe stehenden Tischtennistisch ab. Rossino stellte das Radio aus. Das Telefon stand allein auf einem kleinen Intarsientischchen, das Verona und Helga noch nicht verfeuert hatten; es war einer jener altmodischen Wandapparate mit extra Hörmuschel. Helga stand daneben, machte jedoch keinerlei Anstalten, den Hörer abzunehmen. Charlie hörte, wie es achtmal laut klingelte, ehe es endlich aufhörte. Helga blieb, wo sie war, und ließ die Augen nicht vom Apparat. Splitterfasernackt marschierte Rossino ungeniert ans andere Ende des Raums und schnappte sich ein Hemd, das auf der Wäscheleine hing.
    »Er hat gesagt, er ruft morgen an«, beschwerte er sich, als er sich das Hemd über den Kopf zog. »Was ist denn plötzlich los?«
    »Halt den Mund!« fuhr Helga ihn an.
    Verona rührte weiter um, was immer sie kochen mochte, nur etwas langsamer vielleicht, als ob Schnelligkeit gefährlich wäre. Sie gehörte zu jenen Frauen, bei denen alle Bewegungen aus den Ellbogen zu kommen scheinen.
    Wieder klingelte das Telefon, zweimal, und diesmal hob Helga den Hörer sofort ab, um ihn gleich wieder aufzulegen. Als es dann jedoch wieder klingelte, meldete sie sich mit einem knappen »Ja?« und lauschte, ohne zu nicken und ohne zu lächeln, vielleicht insgesamt zwei Minuten, ehe sie wieder auflegte. »Die Minkels haben ihre Pläne geändert«, verkündete sie. »Die heutige Nacht verbringen sie in Tübingen, wo sie Freunde an der Universität haben. Sie reisen mit vier großen Koffern und vielen kleinen Stücken und einer Aktentasche .« Mit einem sicheren Instinkt für Wirkung nahm sie einen feuchten Lappen aus Veronas Waschbecken und wischte die Tafel sauber. »Die Aktentasche ist schwarz und hat ganz einfache Scharniere. Und der Raum, in dem der Vortrag gehalten werden sollte, ist auch gewechselt worden. Die Polizei ist zwar nicht argwöhnisch, wohl aber nervös. Sie treffen so genannte spürbare Sicherheitsvorkehrungen.«
    »Und was ist mit den Bullen?« sagte Rossino.
    »Die Polizei möchte die Anzahl der Wachen vergrößern, doch das weist Minkel weit von sich. Er ist sozusagen ein Mann von Grundsätzen. Wenn er über Gesetz und Gerechtigkeit spricht, kann er nicht zulassen, von Geheimpolizei umringt zu sein. Für Imogen hat sich nichts geändert. Ihre Befehle sind immer noch dieselben. Es ist ihr erster Einsatz. Sie wird der Star des Abends sein. Nicht wahr, Charlie?«
    Plötzlich waren alle Augen auf sie gerichtet - die von Verona mit hirnloser Starre, die von Rossino mit einem anerkennenden Grinsen und die von Helga mit jener freimütigen Offenheit, der so etwas wie Selbstzweifel wie immer völlig fremd war.
    Sie lag flach da und benutzte den Unterarm als Kopfkissen. Ihr Schlafzimmer war nicht die Empore in einer Kirche, sondern eine Dachkammer ohne Licht und Vorhänge. Ihr Lager bestand aus einer alten Rosshaarmatratze und einer nach Kampfer riechenden vergilbten Wolldecke. Helga saß neben ihr und strich ihr mit kräftiger Hand über das gefärbte Haar. Mondlicht drang durch die Dachluke; der Schnee schuf sein eigenes tiefes Schweigen. Hier sollte jemand ein Märchen schreiben. Mein Geliebter sollte das elektrische Kaminfeuer anstellen und mich im Schimmer seiner roten Glut nehmen. Sie war in einer Blockhütte, sicher vor allem außer dem Morgen. »Was ist denn, Charlie? Mach die Augen auf. Magst du mich nicht mehr?«
    Sie schlug die Augen auf und starrte vor sich hin, ohne etwas zu sehen oder zu denken.
    »Träumst du immer noch von deinem kleinen Palästinenser? Machst du dir Sorgen darüber, was wir hier tun? Möchtest du lieber aufgeben und fortlaufen, solange noch Zeit dazu ist?«
    »Ich bin müde.«
    »Warum kommst du denn nicht rüber und schläfst mit uns? Wir könnten bumsen. Dann könnten wir schlafen. Mario ist ein klasse Liebhaber.«
    Helga beugte sich über sie und küsste sie auf den Hals.
    »Oder möchtest du lieber, dass Mario dich allein besucht? Du bist schüchtern? Selbst das erlaube ich dir.« Sie küsste sie nochmals, doch Charlie lag kalt und verkrampft da, ihr Körper wie aus Eisen.
    »Morgen Abend wirst du vielleicht weniger abweisend sein. Khalil gegenüber gibt es kein Nein. Er ist schon jetzt fasziniert davon, dich

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