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Die Libelle

Die Libelle

Titel: Die Libelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John le Carré
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wieder auf, um gleich darauf langsamer zu werden und fast innezuhalten, als seine Begeisterung zunahm. »Wir reisen in den Bussen der Truppe mit. Wir helfen beim Kulissentragen und -aufbauen. Wir, das Publikum, teilen ihre Probleme, die abscheulichen Hotels, in denen sie absteigen, beschäftigen uns mit ihren Streitereien und Liebesgeschichten. Wir, das Publikum, proben mit ihnen. Wir zittern mit ihnen bei der Premiere, lesen am nächsten Morgen die Kritiken mit ihnen, frohlocken über ihre Erfolge und trauern über die Verrisse und schreiben Briefe an ihre Angehörigen. Wir geben dem Theater zurück, was es an Abenteuer eingebüßt hat. Den Pioniergeist. Die Schauspieler-Publikum-Beziehung.« Einen Augenblick meinte Quilley, Litvak sei fertig. Aber er wählte nur einen anderen Finger, um sich daran festzuhalten.
    »Wir greifen dabei auf klassische Theaterstücke zurück, Mr. Quilley, kein Copyright, durchweg niedrige Kosten. Wir spielen auf dem flachen Land, in Scheunen, nehmen neue, ziemlich unbekannte Schauspieler und Schauspielerinnen, ab und zu einen Gaststar, um mehr Schwung reinzubringen, aber grundsätzlich fördern wir neue Talente und geben einem neuen Talent die Chance, in mindestens vier Monaten die ganze Bandbreite seines Könnens und seiner Wandlungsfähigkeit unter Beweis zu stellen, wobei das Engagement hoffentlich immer wieder verlängert werden kann. Für die Schauspieler bedeutet das, dass sie viel auf der Bühne stehen, viel Publicity haben, nette Stücke, an denen nichts auszusetzen ist, kein Schund, mal sehen, ob das geht. So sieht unser Konzept aus. Mr. Quilley, und unseren Geldgebern scheint es sehr zu gefallen.«
    Dann - Quilley hatte nicht einmal Zeit, ihnen zu gratulieren, etwas, was er immer gern tat, wenn jemand ihm eine neue Idee entwickelte - stürmte Kurtz wieder auf die Bühne.
    »Ned, wir möchten Ihre Charlie unter Vertrag nehmen«, verkündete er und schwenkte mit der Begeisterung eines Shakespeareschen Boten, der eine Siegesmeldung überbringt, den ganzen rechten Arm in die Höhe und behielt ihn dort.
    Ned wollte ganz aufgeregt etwas sagen, musste jedoch erleben, dass Kurtz ihn gar nicht zu Wort kommen ließ.
    »Ned, wir sind der Meinung, dass Ihre Charlie über sehr viel Witz, eine große Wandlungsfähigkeit und eine sehr große Bandbreite verfügt. Wenn Sie uns in ein paar ein bisschen heiklen Punkten beruhigen könnten, die es da gibt - nun ja, ich glaube, wir können ihr die Gelegenheit bieten, sich einen Platz am Theaterhimmel zu erobern, was sicherlich weder Sie noch Charlie bedauern werden.« Und wieder setzte Ned zum Sprechen an, doch diesmal war es Litvak, der noch vor ihm loslegte: »Wir sind entschlossen, auf sie zu setzen, Mr. Quilley. Beantworten Sie uns ein paar Fragen, und Charlie hat es geschafft, zählt zu den Großen.« Plötzlich herrschte Schweigen, und das einzige, was Ned hörte, war das Lied in seinem Herzen. Er blies die Backen auf, bemühte sich, ganz geschäftsmäßig auszusehen, und zupfte abwechselnd an seinen eleganten Manschetten. Er rückte die Rose zurecht, die Marjory ihm heute Morgen mit den üblichen Ermahnungen, beim Lunch nicht zuviel zu trinken, ins Knopfloch gesteckt hatte. Freilich hätte Marjory ganz anders gedacht, hätte sie gewusst, dass die beiden Besucher keineswegs vorhatten, Ned aufzukaufen, sondern ihm vielmehr vorschlugen, ihrer geliebten Charlie zum langerwarteten Durchbruch zu verhelfen. Wenn sie das gewusst hätte, die alte Marge hätte alle Einschränkungen aufgehoben; ganz gewiss hätte sie das getan.
    Kurtz und Litvak tranken Tee, doch in The Ivy nimmt man derlei Exzentrizitäten mit Gelassenheit, und Ned musste kaum dazu überredet werden, sich eine sehr ordentliche halbe Flasche von der Weinliste auszusuchen und, da sie nun einmal darauf zu bestehen schienen, zum Räucherlachs erst einmal ein großes, beschlagenes
    Glas vom Chablis des Hauses. Im Taxi, das sie nahmen, um dem Regen zu entgehen, hatte Ned angefangen, ihnen die amüsante Geschichte zu erzählen, wie er Charlie als Klientin gewonnen hatte. In The Ivy nahm er den Faden wieder auf.
    »Ich biss gleich im ersten Augenblick bei ihr an, schluckte sie mit allem Drum und Dran. So was war mir noch nie passiert. Alter Tor, der ich war - zwar noch nicht so alt wie heute, aber immerhin ein Tor. An dem Stück selbst war nicht viel dran. Eigentlich mehr eine kleine altmodische Revue, modern aufgemotzt. Aber Charlie war hinreißend. Die verfolgte Unschuld - nach solchen

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