Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Libelle

Die Libelle

Titel: Die Libelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John le Carré
Vom Netzwerk:
Wohnsitz in Florida und gesunde Wertvorstellungen. Vor allem letzteres - gesunde Wertvorstellungen. Und die soll unsere Produktion widerspiegeln, von vorn bis hinten. Wir können ein bisschen darüber lachen und ein bisschen darüber weinen, aber so ist nun mal die Wirklichkeit, das ist das Fernsehen und außerdem das, wo das Geld steckt...«
    »Und es ist Amerika«, hauchte Litvak patriotisch seinen Krumen zu.
    »Ned, wir wollen Ihnen gegenüber offen sein. Wir schenken Ihnen reinen Wein ein. Als wir uns schließlich entschlossen, Ihnen zu schreiben, waren wir bereit - vorausgesetzt, wir erhielten auch noch andere Zusagen, um die wir uns bemühten -, Ihre Charlie von allen Verpflichtungen freizukaufen und sie ganz groß rauszubringen. Aber wir wollen Ihnen auch nicht verhehlen, dass Karman und ich in den letzten paar Tagen in Theaterkreisen Dinge zu hören bekamen, die uns aufschreckten und uns fragen ließen, ob wir nicht im Begriff sind, eine große Dummheit zu begehen. Ihr Talent steht außer Frage - Charlie ist eine sehr, sehr begabte Schauspielerin, die bisher nur viel zuwenig gefordert worden ist, aber fleißig und entschlossen, sich durchzusetzen. Doch ob sie innerhalb unseres Gesamtprojekts diskontierbar ist, ob man sie bedenkenlos herausstellen kann - Ned, da brauchen wir von Ihnen die Zusicherung, dass an der ganzen Sache nichts Ernstes dran ist.« Und wieder war es Litvak, der den entscheidenden Stoß führte. Er hatte sich endlich von seinen Krumen losgerissen, hatte den rechten Zeigefinger angewinkelt ans Kinn gelegt und starrte Ned durch seine schwarzgefasste Brille bekümmert an.
    »Wie wir hören, ist sie in letzter Zeit unter die Radikalen gegangen«, sagte er. »Wie wir hören, hat sie sich für ihre politischen Ansichten ganz, ganz weit vorgewagt. Militant. Wie wir hören, ist sie im Augenblick mit einem windigen Anarchisten zusammen, der irgendwie verrückt sein soll. Wir möchten selbstverständlich niemand aufgrund von läppischen Gerüchten verurteilen - aber diese Dinge sind uns nun mal zugetragen worden, Mr. Quilley, und das alles hört sich ganz so an, als ob sie Fidel Castros Mutter und Arafats Schwester zusammen und dann noch eine Hure ist.« Ned starrte von einem zum anderen, und einen Moment lang hatte er das unheimliche Gefühl, dass ihre vier Augen von ein und demselben optischen Muskel kontrolliert wurden. Er wollte etwas sagen, doch kam er sich ganz unwirklich vor. Er überlegte, ob er den Chablis wohl doch schneller getrunken hatte, als klug gewesen war. Ihm fiel nichts weiter ein als Marjorys Lieblingsaphorismus: So etwas wie ein vorteilhaftes Geschäft gibt es im Leben nicht. Der Schrecken, der Ned in die Glieder gefahren war, hatte etwas von der Panik der Alten und Hilflosen. Er fühlte sich der Aufgabe physisch nicht gewachsen, zu schwach dafür, zu ausgelaugt. Amerikaner brachten ihn immer ganz durcheinander; die meisten machten ihm Angst, entweder durch ihr Wissen oder durch ihre Ahnungslosigkeit oder durch beides. Aber diese beiden, die ihn ausdruckslos ansahen, während er herum zappelte und nach einer Antwort suchte, versetzten ihm einen heftigen Schrecken, der größer war als alles, was er für möglich gehalten hätte. Außerdem war er, und es nutzte gar nichts, sehr ärgerlich. Er verabscheute Klatsch. Jeden Klatsch. Er betrachtete Klatsch als verheerend für seinen Beruf. Er hatte erlebt, dass Klatsch Karrieren ruiniert hatte; Klatsch erboste ihn und konnte ihn fuchsteufelswild machen und dazu bringen, dass er ausfallend wurde, wenn er ihm von Leuten zugetragen wurde, die seine Gefühle nicht kannten. Wenn Ned über andere redete, tat er das offen und liebevoll, genauso, wie er vor zehn Minuten noch über Charlie geredet hatte. Verflixt, er liebte das Mädchen. Einen Moment dachte er sogar daran, Kurtz das anzudeuten, ein für Ned wirklich kühner Schritt; und dieser Gedanke musste sich flüchtig auch auf seinem Gesicht gezeigt haben, denn er meinte zu erkennen, dass Litvak schon anfing, das Gesagte zu bedauern, und im Begriff war, ein wenig davon zurückzunehmen - und dass Kurtz’ außerordentlich bewegliches Gesicht sich zu einer Art ›Na-na-Ned‹ -Lächeln verzog. Aber wie immer hielt ihn unheilbare Höflichkeit zurück. Er war ihr Gast. Außerdem waren sie Ausländer und hatten völlig andere Normen. Und er musste auch - widerstrebend -zugeben, dass sie schließlich einen Auftrag hatten, den sie ausführen, Geldgeber, auf deren Eigenheiten sie Rücksicht nehmen

Weitere Kostenlose Bücher