Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Libelle

Die Libelle

Titel: Die Libelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John le Carré
Vom Netzwerk:
eigenes Büro in der City unterhielten: sie erteilten keine Auskünfte über ihre Kunden. Von Stund an konnte Ned an nichts weiter denken als an seine beiden Besucher und den Lunch. Hätte er ihnen doch bloß die Tür gewiesen! Er rief sogar das Münchener Hotel an, das sie erwähnt hatten, und bekam einen wenig zuvorkommenden Manager an den Apparat. Die Herren Gold und Karman seien eine Nacht geblieben, dann jedoch am nächsten Morgen unerwartet in geschäftlichen Dingen weitergereist, sagte er säuerlich - warum also erzählte er es ihm überhaupt? Überall ein wenig zuviel Information, dachte Ned. Oder zu wenig. Und überall das Gefühl, jemand an der Strippe zu haben, der das, was er tat, wider besseres Wissen tat. Ein deutscher Produzent, den Kurtz erwähnt hatte, sagte, sie seien »gute Leute, sehr respektabel, oh, sehr gut«. Doch als Ned fragte, ob sie kürzlich in München gewesen seien und mit welchen Projekten sie zu tun hätten, wurde der Produzent feindselig und legte praktisch den Hörer auf.
    Blieben nur noch Neds Berufskollegen im Agentengeschäft. An die wandte Ned sich nur widerstrebend und ungeheuer beiläufig: er streute seine Nachforschungen breit, doch wo er auch anfragte: nichts.
    »Hab’ neulich zwei schrecklich nette Amerikaner kennengelernt«, vertraute er sich schließlich Herb Nolan von den Lomax Stars an, als er an Herbs Tisch im Garrick stehenblieb. »Waren rübergekommen, um Abschlüsse wegen irgendwelcher hochgestochenen Fernseh-Serien zu machen. Gold und noch was. Sind die Ihnen auch über den Weg gelaufen?«
    Nolan lachte. »Ich bin es doch, der sie zu Ihnen geschickt hat, alter Junge. Erkundigten sich nach ein paar von meinen Vogelscheuchen und wollten dann alles über Ihre Charlie wissen. Ob ich meinte, dass sie auch in Amerika wirklich ankommen würde. Ich hab’s ihnen gesagt, Ned. Hab’s ihnen gesagt.«
    »Und was haben Sie ihnen gesagt?« »Dass sie uns höchstwahrscheinlich eher alle in die Luft jagen würde, hab’ ich gesagt. Warum?«
    Deprimiert über die Gewöhnlichkeit von Herbs Humor, fragte Ned nicht weiter. Doch am selben Abend, nachdem Marjory ihm sein unvermeidliches Geständnis entlockt hatte, war er auch bereit, seine Ängste mit ihr zu teilen.
    »Sie hatten es so verflixt eilig«, sagte er. »Sie hatten zu viel Energie, selbst für Amerikaner. Wie ein Paar Polizisten sind sie über mich hergefallen. Erst der eine, dann der andere. Ein Paar Bluthunde«, fügte er den Vergleich wechselnd noch hinzu. »Ich überlege immer noch, ob ich nicht doch zur Polizei gehen sollte«, sagte er.
    »Aber, Liebling«, sagte Marjory schließlich, »ich fürchte, nach dem, was du erzählt hast, waren sie von der Polizei.«
    »Ich werde ihr schreiben«, erklärte Ned mit großer Entschiedenheit. »Ich habe nicht übel Lust, ihr zu schreiben und sie zu warnen, für alle Fälle. Wer weiß, in was sie da hineingerät.« Doch selbst wenn er das getan hätte, wäre er zu spät gekommen. Denn keine achtundvierzig Stunden später dampfte Charlie nach Athen ab, um ihr Rendezvous mit Joseph einzuhalten.
    Sie hatten es also wieder einmal geschafft; oberflächlich gesehen und verglichen mit der Hauptstoßrichtung des Unternehmens, quasi nur eine Nebenhandlung; aber eine höchst riskante, wie Kurtz noch am selben Abend als erster zugab, als er Misha Gavron bescheiden seinen Triumph meldete. Aber was hätten wir sonst machen sollen, Misha -können Sie mir das sagen? Wo sonst lag denn ein so kostbarer, über einen so langen Zeitraum gehender
    Schatz an Korrespondenz, den wir uns hätten holen können? Sie seien anderen Empfängern von Charlies Briefen nachgejagt
    - Freunden, Freundinnen, ihrer dummen Pute von Mutter und einer ehemaligen Lehrerin; ein paarmal hätten sie sich als Vertreter einer Firma ausgegeben, die daran interessiert sei, Manuskripte und Autographen der Großen von morgen zu erwerben. Bis Kurtz mit Gavrons widerwillig erteiltem Einverständnis die ganze Sache abgeblasen hatte. Besser ein großer Schlag, hatte er erklärt, als so viele gefährliche kleine.
    Außerdem brauchte Kurtz das Ungreifbare. Er musste die Temperatur und die Struktur des Steinbruchs, in dem er arbeitete, genau fühlen. Wer war folglich besser geeignet, ihm dazu zu verhelfen, als Quilley, der sie nun schon so lange kannte und unschuldig seine Erfahrungen mit ihr gemacht hatte? So hatte Kurtz es mit seiner Entschlossenheit durchgeboxt. Und danach flog er am nächsten Morgen, wie er Quilley erzählt hatte,

Weitere Kostenlose Bücher