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Die Libelle

Die Libelle

Titel: Die Libelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John le Carré
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hinzuzufügen. » Verletzt wurde niemand.«
    »Himmel!« sagte Litvak und sah Kurtz an, dessen Befragung jetzt volltönend wurde wie ein rührseliges Gerichtsverhör. »Ned, Sie haben eben gerade angedeutet, dass Charlie vielleicht doch ein wenig von ihren radikalen Ansichten abgekommen ist. Wollten Sie das sagen?«
    »Ja, ich denke schon. Falls ihre Überzeugungen überhaupt jemals radikal gewesen sind. Das ist zwar nur ein Eindruck, aber meine Marjory meint das auch, ist sich dessen sogar sicher…« »Hat Charlie Ihnen solch einen Sinneswandel anvertraut, Ned?« fiel Kurtz ihm ziemlich scharf ins Wort.
    »Ich glaube, wenn sie mal eine echte Chance bekommt wie diese...«
    Kurtz ließ ihn nicht zu Ende sprechen. »Oder Ihrer Frau?«
    »Hm, nein, nicht ausdrücklich.«
    »Gibt es noch jemand, dem sie sich vielleicht anvertraut hätte? Etwa diesem Anarchisten-Freund, mit dem sie geht?«
    »O nein, er wäre der letzte, der so was erfahren würde.« »Ned, gibt es außer Ihnen jemand - bitte, denken Sie genau nach: eine Freundin oder einen Freund, vielleicht eine ältere Person, einen Freund der Familie - jemand, dem Charlie einen solchen Sinneswandel anvertrauen würde? Eine Abwendung vom Radikalismus? Ned?«
    »Nicht, dass ich wüsste - nein. Nein, mir fällt wirklich keiner ein. Sie ist in vieler Hinsicht verschlossen. Verschlossener, als man meinen möchte.«
    Und dann geschah etwas ganz Erstaunliches. Ned lieferte Marjory später eine genaue Beschreibung dieses Vorgangs. Um dem unangenehmen und - für Neds Begriffe - geradezu bühnenreifen Kreuzfeuer der Blicke, dem er sich von beiden Augenpaaren ausgesetzt sah, zu entkommen, hatte Ned mit seinem Glas gespielt, hineingeguckt und den Marc de Champagne herumgewirbelt. Als er jetzt spürte, dass Kurtz die Sache offenbar nicht weiterverfolgte, sah er auf und bekam gerade noch den Ausdruck offenkundiger Erleichterung auf Kurtz’ Gesicht mit, die dieser Litvak gerade mitteilen wollte: Kurtz freute sich unverhohlen darüber, dass Charlie ihren Überzeugungen nicht untreu geworden war - oder, wenn sie es doch getan hatte, es jedenfalls keiner Menschenseele anvertraut hatte. Er schaute noch einmal genauer hin, doch da war der Ausdruck schon verschwunden. Nicht einmal Marjory konnte ihn hinterher davon abbringen, dass er vorher dagewesen war. Litvak, der Juniorpartner des großen Juristen, übernahm das Kreuzverhör, knapper in den Formulierungen, gleichsam als sollte der Fall endlich abgeschlossen werden. »Mr. Quilley, Sir, sammeln Sie in Ihrem Büro Material über Ihre einzelnen Klienten? Unterlagen?«
    »Nun, Mrs. Ellis tut das, da bin ich sicher«, sagte Ned. »Irgendwo.«
    »Und nimmt Mrs. Ellis diese Aufgabe schon seit längerer Zeit wahr, Sir?«
    »Mein Gott, ja. Sie war schon zu meines Vaters Zeiten da.«
    »Und was ist das für Material, das sie sammelt? Gagenabrechnungen - Spesen - Kommissionen, die abgezogen werden - solche Sachen? Handelt es sich bei diesen Unterlagen um reine trockene Geschäftsunterlagen?«
    »Du liebe Güte, nein, sie sammelt alles und hält alles fest. Geburtstage, welche Blumen sie mögen, welche Restaurants. Einmal haben wir sogar einen alten Ballschuh darunter gefunden. Wie die Kinder heißen. Ob sie einen Hund haben. Presseausschnitte. Wirklich alles Mögliche.«
    »Auch persönliche Briefe?«
    »Ja, selbstverständlich.«
    »Handschriftliches von ihr? Die Briefe, die sie Ihnen im Laufe der Jahre geschrieben hat?«
    Kurtz war das peinlich; seine slawischen Augenbrauen, die sich gequält über dem Nasenrücken zusammenschoben, verrieten es. »Karman, ich finde, Mr. Quilley hat uns schon genug von seiner Zeit geopfert und uns von seinen Erfahrungen profitieren lassen«, sagte er schroff zu Litvak. »Falls wir noch weitere Informationen brauchen, wird Mr. Quilley sie uns bestimmt nachliefern. Besser noch: Falls Charlie bereit ist, sich mit uns über diesen Punkt auseinanderzusetzen, können wir sie direkt von ihr bekommen. Ned, es war wunderbar, Sie kennenzulernen; ich werde das nie vergessen. Vielen Dank, Sir.«
    Doch so leicht sollte Litvak sich nicht abhängen lassen. Er besaß den Eigensinn des jungen Mannes: »Mr. Quilley hat doch keine Geheimnisse vor uns «, rief er aus. »Himmel, Mr. Gold, ich frage doch nur, was ohnehin die ganze Welt weiß und was unsere Visa-Leute in Null Komma nichts mit ihrem Computer rausfinden. Uns eilt es doch damit, das wissen Sie doch. Falls es Unterlagen gibt, eigenhändige Briefe von ihr, in denen sie

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