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Die Libelle

Die Libelle

Titel: Die Libelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John le Carré
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besorgtes menschliches Herz ansprechen. Ihre Gefühle. Ihren Gerechtigkeitssinn. Wir haben nicht vor, irgend etwas von Ihnen zu erwarten, was sich nicht mit Ihren starken und anständigen ethischen Anliegen vereinbaren lässt. Ihre streitbaren politischen Ansichten - die Namen, die Sie Ihren Überzeugungen geben - nun, die möchten wir im Moment mal hintanstellen. Aber
    Ihre Überzeugungen als solche - je verwirrter sie sind, je irrationaler und je frustrierter -, Charlie, die achten wir vorbehaltlos. Unter dieser Voraussetzung werden Sie doch wohl noch ein bisschen bei uns bleiben und sich anhören, was wir Ihnen zu sagen haben.«
    Und abermals verbarg Charlie ihre Antwort unter einer neuen Attacke: »Wenn Joseph Israeli ist«, wollte sie wissen, »wieso, zum Teufel, kommt er dann dazu, in einem großen arabischen Schlitten durch die Gegend zu kutschieren?«
    Kurtz’ Gesicht zersprang in jenes tiefeingekerbte, runzlige Lächeln, das Quilley auf so dramatische Weise sein Alter verraten hatte. »Den haben wir geklaut, Charlie«, erwiderte er frohgemut, und diesem Eingeständnis folgte augenblicklich eine zweite Runde Gelächter der jungen Leute, in das Charlie halb einzustimmen versucht war. »Und als nächstes , Charlie, möchten Sie natürlich wissen«, sagte er - und gab damit nebenher zu verstehen, dass er das Palästinenserproblem zumindest vorläufig sicher zurückgestellt sehen wollte, wie er eben schon gesagt hatte -, »was Sie hier in unserer Mitte tun und warum man Sie auf eine solche umständliche und wenig gentlemanhafte Weise hierhergeschleppt hat. Ich will es Ihnen sagen. Der Grund, warum wir das getan haben, Charlie, ist, dass wir Ihnen eine Stelle anbieten möchten. Eine Stelle als Schauspielerin .«
    Das traf sie völlig unvorbereitet, und sein mildes Lächeln verriet, dass er sich darüber im klaren war. Er hatte ganz langsam und mit Bedacht gesprochen, gleichsam als gebe er im Fernsehen die Lottozahlen bekannt: »Die größte Rolle, die Sie bisher in Ihrem Leben gespielt haben, die schwierigste, zweifellos die gefährlichste und zweifellos auch die wichtigste Rolle. Damit meine ich nicht das Geld. Geld können Sie haben, so viel Sie wollen, kein Problem, sagen Sie nur, was Ihnen vorschwebt.« Ein kräftiger Unterarm fegte alle finanziellen Überlegungen beiseite. »Die Rolle, für die wir Sie vorgesehen haben, ist eine Kombination all Ihre Talente, Charlie, sowohl der rein menschlichen als auch der schauspielerischen. Ihre Schlagfertigkeit. Ihr ausgezeichnetes Gedächtnis. Ihre Intelligenz. Ihr Mut. Aber auch jene ganz besondere menschliche Qualität, von der ich bereits gesprochen habe. Ihre Herzensgüte. Wir haben Sie ausgewählt, Charlie. Wir haben Sie für eine Rolle vorgesehen. Dabei haben wir uns auf einem weiten Feld umgesehen, unter vielen Kandidaten aus vielen Ländern. Aber unsere Wahl ist auf Sie gefallen, und das ist der Grund, warum Sie hier sind. Unter Ihren Fans. Jeder hier im Raum hat Sie bei Ihrer Arbeit gesehen, jeder bewundert Sie. Damit klar ist, in was für einer Atmosphäre Sie hier sitzen. Von unserer Seite aus besteht keinerlei Feindseligkeit. Nur Zuneigung, Bewunderung und Hoffnung. Hören Sie uns bis zu Ende an. Wir möchten Sie haben. Wir brauchen Sie. Und draußen sind Menschen, die Sie womöglich noch mehr brauchen als wir.« Seine Stimme hatte ein Gefühl der Leere hinterlassen. Sie kannte Schauspieler - nur wenige freilich -, deren Stimme genau dies fertig brachte. Sie war da , durch ihre unerbittliche Güte wurde sie zur Sucht, und wenn sie aufhörte, so wie jetzt, ließ sie einen wie gestrandet zurück. Erst bekommt Al seine große Rolle, dachte sie instinktiv voll Stolz, und jetzt ich. Wie irrsinnig ihre Situation war, war ihr durchaus klar, trotzdem schaffte sie nur, sich ein aufgeregtes Grinsen zu verkneifen, das ihre Wangen zucken ließ und versuchte, hervorzubrechen.
    »So also nehmen Sie Ihre Rollenbesetzungen vor, ja?« sagte sie und bemühte sich wieder um einen skeptischen Ton. »Ihnen erst eins über die Rübe geben und sie dann in Handschellen abführen? So machen Sie das wohl immer, was?«
    »Charlie, wir würden niemals behaupten, dass es sich um Theater im üblichen Sinn handelt«, ging Kurtz unbeirrt darauf ein und überließ erneut ihr die Initiative.
    »Eine Rolle worin dann zumindest?« sagte sie und kämpfte immer noch gegen das Grinsen an. »Nennen Sie’s Theater.« Ihr fiel ein, was Joseph gesagt hatte, als er plötzlich so ganz ernst geworden

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