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Die Libelle

Die Libelle

Titel: Die Libelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John le Carré
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Kurtz jetzt eine formlose Militär-Buschjacke mit dunklen Schweißflecken unter den Achseln und einer Reihe von metallisch schimmernden Kugelschreibern in der zuknöpfbaren Brusttasche, wohingegen Litvak, der Partei-Intellektuelle, ein kurzärmeliges Khaki-Hemd anhatte, aus dem seine weißen Arme wie entrindete Stecken hervorschauten. Trotzdem brauchte sie die beiden Männer bloß genau anzusehen, um zu erkennen, dass sie etwas mit Joseph gemein hatten: Sie sind in denselben Dingen gedrillt, dachte sie; sie sind von denselben Ideen beseelt, sie handeln gleich. Kurtz’ Uhr lag vor ihm auf dem Tisch. Sie erinnerte sie an Josephs Feldflasche. Zwei französische Fenster mit Fensterläden davor gingen nach vorn hinaus. Von zwei anderen aus konnte man überblicken, was hinten vor sich ging. Die Doppeltüren zu den Fensterflügeln waren geschlossen, und wenn sie jemals daran gedacht hatte, dort rauszustürzen, so wusste sie jetzt, dass das hoffnungslos war; denn wenn die Wachen sich auch unbekümmert wie in einem Werkstatt-Theater gaben, hatte sie in ihnen - mit Grund - bereits die Wachsamkeit von Profis erkannt. Hinter den Wachen, in den äußersten Ecken der Bühne, glommen wie langsam brennende Zündschnüre vier Stangen Elektro-Insektenfrei und verströmten einen moschusartigen Geruch. Und hinter ihr Josephs kleine Leselampe - trotz allem oder vielleicht gerade deswegen das einzige behagliche Licht.
    All dies hatte sie in sich aufgenommen, fast noch ehe Kurtz’ volltönende Stimme anfing, den Raum mit seinen gewundenen, zwingenden Sätzen zu füllen. Wenn Charlie nicht schon vorher geahnt hatte, dass ihr eine lange Nacht bevorstand, so verriet ihr das jetzt seine unerbittlich skandierende Stimme.
    »Charlie, zunächst geht es uns einmal darum, uns darzustellen und vorzustellen, und wenn auch keiner von uns hier viel von Entschuldigungen hält, möchten wir doch sagen, dass es uns leid tut. Es gibt Dinge, die müssen eben gemacht werden. Wir haben das nicht zum ersten Mal gemacht, so ist es nun mal. Tut uns also leid, und jetzt nochmals: willkommen. Hi .«
    Nachdem er lange genug innegehalten hatte, um ihr Gelegenheit zu geben, eine neuerliche Salve von Verwünschungen abzufeuern, lächelte er breit und fuhr fort.
    »Charlie, ich bezweifle nicht, dass Sie viele Fragen haben, die Sie uns stellen möchten, und Sie können sicher sein, zu gegebener Zeit werden wir sie Ihnen nach bestem Wissen und Gewissen beantworten. Aber zunächst einmal lassen Sie uns Ihnen einiges Grundsätzliche sagen. Sie fragen, wer wir sind.« Diesmal machte er keineswegs eine Pause, denn ihm war wesentlich weniger daran gelegen zu beobachten, wie seine Worte auf sie wirkten, als daran, sie einzusetzen, um sein Vorgehen und sie auf freundliche Weise in den Griff zu bekommen. »Charlie, in allererster Linie sind wir anständige Leute, wie Joseph ja schon gesagt hat, gute Leute. Und zwar in dem Sinn, dass Sie uns, wie gute und anständige Menschen überall auf der Welt, mit Recht als nicht sektiererisch, als ungebunden bezeichnen können, und genauso wie Sie selbst sind wir tief besorgt über all das, was in der Welt in die falsche Richtung läuft. Wenn ich noch hinzufüge, dass wir israelische Staatsbürger sind, gehe ich davon aus, dass Sie deshalb nicht gleich Schaum vor den Mund bekommen, kotzen oder aus dem Fenster springen, es sei denn natürlich, Sie wären der Überzeugung, Israel sollte ins Meer gefegt, mit Napalm vernichtet oder in Geschenkverpackung der einen oder anderen äußerst wählerischen Araber-Organisation überreicht werden, die sich geschworen hat, uns auszulöschen.« Kurtz, der spürte, wie sie insgeheim zusammenzuckte, hakte sofort nach. » Ist das Ihre Überzeugung, Charlie?« wollte er wissen und senkte die Stimme. »Vielleicht ist es so. Warum sagen Sie uns nicht einfach, wie Sie dazu stehen? Möchten Sie auf der Stelle aufstehen? Nach Hause gehen? Ich glaube, Sie haben noch Ihr Flugticket. Wir geben Ihnen Geld. Interessiert Sie dieses Angebot?«
    Eisige Stille senkte sich über Charlies Verhalten und verbarg, wie durcheinander und aufgewühlt sie innerlich war. Dass Joseph Jude war, daran hatte sie seit ihrem fehlgeschlagenen Verhör am Strand nicht gezweifelt. Aber Israel, das war eine verschwommene, abstrakte Vorstellung für sie, die sowohl ihren Beschützerinstinkt als auch ihre Feindseligkeit weckte. Sie war nie auch nur für eine Sekunde auf die Idee gekommen, dass es vor ihr aufstehen und ihr in Fleisch und Blut

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