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Die Liebe der anderen

Die Liebe der anderen

Titel: Die Liebe der anderen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederique Deghelt
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möchte, wie ich zusammenbreche.
    »Hau ab, Igor. Such dir ein anderes Opfer. Glück lässt sich nicht stehlen, man muss es sich errichten. Was du sagst, ist mir fremd, es berührt mich nicht. Und ich muss mich vor dir nicht rechtfertigen. Ich liebe deinen Bruder, und ich pfeife auf das, was du erzählst. Wenn du so willst, bin ich … ich weiß nicht, wie ich es ausdrücken soll … Ich bin frei.«
    Ich habe keine Angst mehr. Das Zittern ist vorbei. Beim Reden habe ich mich beruhigt, ich lächle ihn an. Er scheint diese Veränderung wahrzunehmen. Er wirkt durcheinander.
    »Dann interessiert es dich also gar nicht, wer ihn dir weggenommen hat?«
    »Niemand hat mir irgendwas weggenommen, Igor. Pablo und ich sind sehr verliebt, und wenn wir uns verletzt haben sollten, geht das niemanden etwas an. Und dich schon gar nicht!«
    Ich lächle ihn immer noch an, dann eile ich hinunter und lasse ihn auf dem Treppenabsatz stehen.
    Erst als ich draußen bin, trifft mich die Bedeutung seiner Worte. Und zum ersten Mal danke ich mir insgeheim. Zum Glück habe ich alles vergessen: Man muss wirklich sehr verstört sein, um sich einem solchen Scheusal an den Hals zu werfen.

    Als wir ankommen, ist es tiefe Nacht. In der Dunkelheit tauche ich in eine Welt voller Düfte ein. Das Haus muss von einem größeren Grundstück umgeben sein, ein paar Ecken davon habe ich auf Fotos gesehen: eine sehr dürre Landschaft, bewachsen von Pinien, Olivenbäumen und Lorbeerbüschen, wilden Gräsern und Blumen.
    Pablo bittet mich, auszusteigen und das Tor zu öffnen. Ich taste mich voran, bin ungeschickt und warte schon darauf, dass er ungeduldig wird. Endlich gibt es nach.
    Sobald das Auto zum Stehen kommt, nehme ich Zoé auf den Arm, damit Pablo die Tür zu diesem zauberhaften Steinhaus öffnet. Aber schon hinter der Eingangstür weiß ich nicht mehr weiter. Ich lege die Kleine auf dem nächsten Sofa ab, murmele etwas Unverständliches vor mich hin und fasse mir mit einer Grimasse an den Rücken.
    »Sie ist so schwer geworden, kannst du sie tragen?«
    Ich nehme Youris Hand und lasse mich von ihm führen. Pablo trägt Lola, ich gehe zur Seite, um ihm den Vortritt zu lassen.
    Das Haus hat kein Obergeschoss. Die Kinder schlafen wie in Paris gemeinsam in einem sehr großen Zimmer, fast ein Spielsaal. Ich bringe sie rasch ins Bett. Youri bemerkt, dass ich sie sonst immer im Schlafanzug ins Auto setze,weil das bei der Ankunft dann einfacher sei. Ich verspreche ihm, das nächste Mal wieder daran zu denken.
    Pablo kommt, um den beiden ihren Gutenachtkuss zu geben, den sie einfordern. Ich nutze die Gelegenheit und sehe mich um. Unser Schlafzimmer befindet sich rechts, die Küche am anderen Ende, gegenüber gibt es ein zweites Schlafzimmer, ein Badezimmer, die Toilette … Dieser erste Blick bestätigt meine Vermutung: Ich liebe dieses Haus. Auch innen ist es aus Stein. Ich entdecke einen Kamin und eine in den Wohnraum integrierte Arbeitsnische. Ich bin sicher, dass ich meine Notizen hier gemacht habe, an diesem Tisch vor dem schmalen Fenster unter der Dachluke. In diesem Moment schlängelt sich das Mondlicht herein. Und ich erkenne die in Rot gehaltene Mansarde wieder, von der ich nach unserer Eskapade im Hotel geträumt habe.
    Vor lauter Freude über eine weitere Erinnerung schlage ich Pablo vor, gemeinsam das Auto zu entladen, doch er protestiert.
    »Das machen wir morgen, Marie. Ich bin müde, und du bestimmt auch.«
    Ich nicke. Während er die Türen abschließt, nehme ich das Badezimmer in Beschlag. Beim Ausziehen sehe ich mir unser Schlafzimmer an, es ist liebevoll eingerichtet, ein Nest, das spürt man. Ein bisschen exotisch: eine orientalische Tafel aus Holz, rote und lilafarbene Vorhänge, ein altes Bett, bestimmt aus Indonesien oder Bali, goldbestickte Tagesdecken aus Seide.
    Ich wundere mich nicht mehr darüber, dass ich nichts wiedererkenne, klammere mich nicht mehr an die Hoffnung, dass eines Tages der Groschen fällt, auch wenn ich sie noch nicht ganz aufgegeben habe. Es gibt Wesentlicheres, etwa den Geruch der Erde … oder den Duft der Pinien … des Südens. Ich kann ihn mit der Zungenspitze wahrnehmen. Dieses Haus hat einen Geschmack. Ich erkenne darin Nostalgie, Wogen des Glücks und des Wohlbehagens. Einsehr intensives Gefühl, als würde ein unterwegs abgeworfener Teil meiner Kindheit hier auf mich warten …
    Habe ich etwas empfunden, als ich zum ersten Mal herkam? Einige Fragen kann ich niemandem stellen, bevor ich nicht mit Pablo

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