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Die Liebe der anderen

Die Liebe der anderen

Titel: Die Liebe der anderen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederique Deghelt
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Schlimmstenfalls halten sie mich für eine eingebildete Pute. Aber nein! Was sage ich denn da, sie sind aus dem Süden, wie die Leute aus dem Dorf meiner Großmutter, sie werden mich mit ausgebreiteten Armen empfangen: Salut, Marie. Bist du mit den Kleinen da? Ich werde schon zurechtkommen.
    Im Theaterkurs habe ich es ja auch geschafft, eine ganze Gruppe von Leuten wiederzusehen, ohne dass mir jemand dabei geholfen hätte. Unser letztes Treffen vor den Ferien war übrigens lustig. Wir haben uns endlich entschlossen, im nächsten Jahr ein Stück einzustudieren. Ich weiß zwar nicht, wie das gehen soll, schließlich habe ich noch nie auf der Bühne gestanden, aber egal, ich werde es lernen.
    Beim Abschlussessen mit der ganzen Truppe war François mir eine große Hilfe. Schon komisch, wie er alles in die Hand nahm. Als wüsste er Bescheid. Er hat mich behütet, mich beschützt. Ich habe mich wohl gefühlt in seiner Nähe. Und nun weiß ich, dass meine Gefühle für ihn nichts mit Verliebtheit zu tun haben, sondern mit Geborgenheit.
    Pierre, der Chef von
TV Locale
, hat mich mit Nachrichten überhäuft, schließlich schrieb ich ihm einen netten Brief, in dem ich ihm schilderte, wie angenehm es sei, nicht mehr zu arbeiten. Ich fand hübsche Formulierungen, um ihm für unsere mehrjährige Zusammenarbeit und sein Verständnisfür meine schwierige Situation zu danken. Ich teilte ihm in meinem Brief instinktiv mit, wie wohl ich mich in der wiedergefundenen Harmonie meiner Familie fühle. Von einem beruflichen Wiedereinstieg kein Wort, die Tür ließ ich offen. Danach ging es mir besser, als hätte ich endlich etwas geklärt, das »die andere« ungelöst hinterlassen hatte. Natürlich versetzt es mir jedes Mal einen kleinen Stich, und ich hoffe, keine Fehler zu machen; aber ich glaube, es gelingt mir immer besser. Seit einer Woche komme ich mir vor wie die Retterin meines eigenen Lebens. Ich habe alles geregelt vor der Abreise in unser Häuschen, wo ich den Schlüssel zum Verschwinden meines Gedächtnisses zu finden hoffe.
    Ein Ereignis hätte mich fast wieder aus der Bahn geworfen. Eines Morgens, als ich die Kinder gerade zur Schule gebracht hatte, tauchte plötzlich Igor bei uns auf, einfach so, und tat, als würde er sich darüber wundern, dass Pablo fort und ich allein war. Ich habe die Gefahr sofort gespürt. Ich machte einen Schritt nach draußen vor die Tür und klammerte mich an meinen Schlüssel.
    »Ich wollte gerade los, ich habe einen Termin.«
    »Meine Schwägerin bietet mir nicht einmal einen Kaffee an? Warum plaudern wir nicht ein wenig, Marie? Ich weiß so viele Dinge über Pablo, die dich interessieren dürften und von denen du keine Ahnung hast.«
    »Ich weiß nicht, was für ein Spiel du spielst, Igor. Sind die Zeiten, in denen du deinen Bruder mit einem Kissen ersticken wolltest, nicht endlich vorbei?«
    Ich habe blindlings angegriffen, um mich von der Angst zu befreien, die er mir einflößt.
    »Ach, das weißt du? Da konnten mein Stiefvater oder meine Mutter ihren Rand mal wieder nicht halten. Interessant, wie die ganze Familie in Aufruhr gerät, wenn es ein bisschen spannend wird … Du kleine Heuchlerin, brave Vorzeigeehefrau, verleugnest du etwa den phantastischenAbend, als du dich mir an den Hals geworfen hast? Hast du schon vergessen, dass du dich mir mit Leib und Seele hingeben wolltest, aus Rache an meinem untreuen Bruder? Schon merkwürdig, wie sich binnen kürzester Zeit die Fassade wieder herstellen lässt! Ha! Das Trugbild des Traumpaars ist gerettet!«
    Ich schwitze, ich zittere, ich bin schockiert über das, was Igor sagt, ich muss mich beherrschen. Nicht ich habe mich ihm an den Hals geworfen, sondern »die andere«. Die Frau, von der ich mich losgesagt habe, indem ich ihr Leben und ihre Entgleisungen vergaß. Ich habe mich wieder um ihre Liebe, ihre Kinder gekümmert, und um die Harmonie. Die Schwächen, den Kummer und vielleicht auch den Hass dieser verletzten Frau habe ich hinter mir gelassen. Ich weiß nichts von Pablos Untreue. Im Moment weiß ich nur von meiner eigenen. Ich weiß nicht, wovor Pablo geflohen ist oder welches Vergnügen er gefunden hat, und es ist mir egal. Ich liebe ihn. Sicher, ich habe zwölf Jahre Verspätung. Ich habe nur sieben Wochen Liebe und ein paar Jahre Unbewusstes, die irgendwo hinter einer Schranke lagern, die ich nicht zu öffnen vermag. Aber im Augenblick ist nur eines wichtig: diesen bösartigen Mann loszuwerden, der sich drohend vor mir aufbaut und sehen

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