Die Liebe der anderen
Verkauf des Bauernhauses kümmern müsste, in dem ich mich seit dem Tod meiner Großmutter nicht mehr wohl fühlte. Ich schaffte es einfach nicht. Und niemand hatte Lust, seine Ferien in dem kleinen Dorf im Périgord zu verbringen, ich schon gar nicht. Nun vermute ich fast, dass ich mich schließlich doch darum gekümmert habe, denn alles, woran mir etwas lag, scheint sich nun hier zu befinden.
Als ich in den Papieren herumschnüffele, stoße ich auf einen Aktenorder mit der Aufschrift »Häuschen« und finde darin einen Kaufvertrag. Es gehört mir. Jedenfalls steht nur mein Name in der Urkunde. Aus finanziellen Gründen, weil die Wohnung in Paris auf Pablos Namen läuft? Andererseits wundert mich diese Verteilung nicht, ich habe den Eindruck, als hätte ich mich heute zum zweiten Mal für dieses Haus entschieden.
Aus dem Fenster des kleinen Arbeitszimmers sehe ich Weinstöcke weiter unten im Tal. Unser Grundstück hat eine seltsame Ausrichtung, nach Süden und Südwesten hin. Es liegt abgeschieden, bis zum Dorf sind es zwei oder drei Kilometer, und das nächste Haus ist fünfhundert Meter entfernt. Ich erkenne ein Türmchen und einen großen Pool.
»Ist jemand da? Marie? Pablo?«
»Ja, ich bin hier oben.«
Eine Frau steht im Wohnzimmer, als ich die Treppe herunterkomme. Wie ich es mir auf dem Weg hierher im Auto vorgestellt hatte, stürmt sie mir entgegen und umarmt mich.
»Marie, wie geht es euch? René hat mir erzählt, dass ihr da seid. Er hat Pablo getroffen. Du hast wohl noch geschlafen.« Sie muss um die siebzig sein, eine kleine Frau aus dem Süden, sehr dunkel, mit olivfarbenem Teint, sie hat etwas von meiner Großmutter. Ich umarme sie. Sie sieht mich aufmerksaman. Man könnte sogar sagen, sie mustert mich. »Ach, bin ich froh. Du siehst besser aus als letztes Mal. Ich habe mir ganz schöne Sorgen um dich gemacht … Frag Pablo, ob ich am Samstag Bouillabaisse machen soll oder ob er lieber etwas anderes möchte.« Als ich sie fragend anschaue, fügt sie hinzu: »Hat er dir noch nichts gesagt? René hat euch und die Kinder eingeladen.«
»Sie sind draußen, unter den Bäumen.«
»Ist die Kleine auch hier? Seit Dezember habe ich sie nicht gesehen, sie hat sich bestimmt verändert. Ich gehe sie mal begrüßen. Ach ja, der Pool steht auch wie immer zur freien Verfügung. Wir haben den Beckenrand ausgebessert, und es gibt auch keine Wespen mehr, das wird Youri beruhigen. Der arme Kleine hatte im letzten Jahr solche Angst vor ihnen! Und von Gérard soll ich dir ausrichten, dass Lola ihre ganzen Reitsachen bei ihm auf dem Ponyhof vergessen hat, du brauchst sie also nicht zu suchen … Ich weiß nicht, ob du schon gehört hast, dass sie ihr drittes Kind erwarten. Dann bin ich endlich eine richtige Großmutter. Zwei Enkel waren mir noch zu wenig.«
»Wann ist es denn so weit?«
»Im September. Die Ärmste hat ganz schön unter der Hitze zu leiden. Ich sage ihr immer, sie soll sich doch einfach in den Pool setzen. Ich verbrachte damals die meiste Zeit im Fluss, in voller Montur.« Sie ist lustig, ich würde gern ihren Vornamen wissen, ihre Haut dünstet den Duft von Bratäpfeln aus. Sie sprach von einem Pool. Vielleicht gehört ihr das Haus nebenan, das ich aus dem Fenster gesehen habe?
Ich setze meine Recherchen in eigener Sache fort und versuche, mich auf meinen Instinkt zu verlassen. Wenn ich jetzt hier ein Heft verstecken müsste, wo würde ich es hinlegen? Ich sehe vor allem in alten Taschen und unter den Sachen meiner Großmutter nach, in ihrer Uhr, die im Eingang des Hauses steht und längst nicht mehr funktioniert, aber weitund breit keine Spur von einem Heft. Ich habe sogar in der Remise nachgesehen, zwischen Fahrrädern, Pétanque-Kugeln, Hämmern und Gartenwerkzeug, unter den Kochrezepten, den Büchern in der Bibliothek. Nichts. Wenn ich meine Notizen so sorgfältig versteckt habe, müssen sie verdammt interessant sein. Ich suche in den Wäscheschränken, zwischen den Handtüchern. Ohne Erfolg.
Pablo ruft nach mir. Die Kinder möchten zu ihrem Pony.
»Hast du Jeanne gesehen? … Marie, hörst du mich?«
»Ja, ich bin hier, ich komme schon.«
»Ist das der große Sommerputz? Was machst du denn da? Ich bringe die Kinder zum Ponyhof, Gérard wartet dort auf sie. Ich brauche die Sachen von Youri.« Ich laufe los, um die Reitklamotten der Kinder einzusammeln, die ich in ihrem Zimmer gesehen habe. Pablo fasst mich an der Hand. »Und ich hatte solche Angst, wieder mit dir herzukommen. Ich bin ein
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