Die Liebe des Highlanders
angewurzelt stehen und starrte das Porträt an, das über der großen Treppe gegenüber vom Eingang hing.
Das war sie.
Lebensgroß zierte Gwen Cassidy in einem lavendelfarbe nen Kleid die Wand über dem Treppenabsatz. »Ich ...«, brachte sie hervor. »Das bin ja ich.«
Maggie lachte. »Ja. Es wurde im sechzehnten Jahrhundert gemalt...«
Den Rest hörte Gwen nicht. Ihre ganze Aufmerksamkeit galt den Familienporträts, welche die Wände fast vollständig bedeckten. Bilder aus alten Zeiten bis hin zur Gegenwart.
Gwen wollte unbedingt wissen, was für eine Frau Dageus gefunden und welche Kinder er gezeugt hatte. Sie ging an den modernen Gemälden vorbei und bekam nur vage mit, dass Maggie und Christopher ihr folgten und sie schweigend beobachteten.
Gwen blieb abrupt stehen und starrte eines der Bilder an. Sie traute ihren Augen kaum. Dann lächelte sie unter Tränen. Sie glaubte, Silvans Lachen, eine von Nells kernigen Bemerkungen und das Trappeln von Kinderfüßen zu hören.
Das Bild, das sie so gefangen nahm, war fast zweieinhalb Meter hoch. Nell saß auf der Terrasse, Silvan stand hinter ihr und hatte ihr eine Hand auf die Schulter gelegt. Auf ihrem Schoß saßen Zwillinge. »Nell?«, fragte sie schließlich und drehte sich zu Maggie um.
»Ja. Christopher ist ein direkter Nachkomme von Silvan und Nell MacKeltar. Silvan hat seine Hauswirtschafterin geheiratet. So steht es in der Familienchronik. Sie hatten vier Kinder. Zwillinge kommen in dieser Familie ungewöhnlich oft vor.«
»Ich finde, er sieht zu alt aus, um noch Kinder zu bekommen.« Colleen war mit ihren Geschwistern in die Große Halle gekommen und rümpfte die Nase. »Der Tee ist fertig«, verkündete sie.
Gwen schmolz dahin. »Er war zweiundsechzig«, sagte sie leise. Auch Nell hatte ihren Frühling längst hinter sich gehabt. Die liebe Nell hatte ihre Kinder also zurückbekommen, und Silvan hatte sie ihr geschenkt.
Gwen ging weiter, aber da, wo einst Bilder gehangen hatten, waren leere Flecken in Form von zwei dunklen Rechtecken. »Was hat hier gehangen?«, fragte sie neugierig. Hatten sie die Porträts von Drustan abgenommen, um sie ihr zu schenken?
Christopher und Maggie wechselten einen bedeutsamen
Blick. »Zwei Bilder, die restauriert werden müssen«, sagte Christopher vage. »Hier sind noch einmal Nell und Silvan zu sehen«, fügte er rasch hinzu und deutete auf die nächsten Porträts.
Gwen betrachtete sie. »Und Dageus? Wo ist Dageus?«, wollte sie wissen.
Wieder sahen sich Maggie und Christopher an. »Er ist so etwas wie ein Mysterium«, erklärte Maggie schließlich. »Er ist im jahr fünfzehnhunderteinundzwanzig fortgegangen.«
»Ist das Datum seines Todes nicht in der Chronik verzeichnet?«
»Nein«, antwortete Maggie knapp.
Eigenartig, dachte Gwen. Aber darauf würde sie später zu- rückkommen. Im Augenblick wollte sie mehr über Drustan erfahren. »Gibt es Porträts von Drustan?«
»Mom!«, rief Colleen. »Jetzt mach schon - das ist ja nicht auszuhalten!«
Christopher und Maggie grinsten. »Kommen Sie, wir ha ben noch etwas für Sie.«
»Aber ich habe so viele Fragen«, protestierte Gwen. »Wie ...«
»Später«, wehrte Maggie sanft ab. »Ich glaube, wir müs sen Ihnen zunächst etwas zeigen. Später können Sie all die Fragen, die dann noch offen sind, stellen.«
Gwen klappte den Mund auf und wieder zu, dann folgte sie Maggie und Christopher.
Als Maggie an der Tür zum Turm stehen blieb, musste Gwen ruhig durchatmen. Ihr Herzschlag raste. Hatte ihr Drustan etwas hinterlassen? Etwas, das sie an ihre Kinder weitergeben konnte, etwas von dem Vater, den sie nie kennen lernen würden? Als sich Maggie und Christopher voller Liebe ansahen, wäre sie beinahe in Tränen ausgebrochen.
Maggie hatte ihren MacKeltar, und Gwen sehnte sich nach einem kleinen Andenken, das sie immer an den ihren erinnern würde. Ein Plaid, dem sein Geruch anhaftete, ein Porträt, das sie ihren Kindern zeigen konnte - irgendetwas. Sie schauderte.
Maggie holte einen Schlüssel, der an einem zerfransten Band hing, aus der Tasche.
»Es gibt ein ... Vermächtnis, das jahrhundertelang von einer MacKeltar-Generation zur anderen weitergegeben wurde. Es war Quelle für so manchen romantischen Traum der jungen Mädchen.« Sie sah ihre älteste Tochter viel sagend an. »Und unsere Colleen ist in diesem Punkt die Schlimmste ...«
»Das stimmt nicht. Ich habe nur so oft gehört, wie du mit Dad darüber geredet hast, und dann bekommt ihr immer diesen
Weitere Kostenlose Bücher