Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Liebe des letzten Tycoon

Die Liebe des letzten Tycoon

Titel: Die Liebe des letzten Tycoon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F. Scott Fitzgerald
Vom Netzwerk:
und vor allem, dass er mit ihnen überhaupt etwas anfangen konnte –, darüber staunte ich immer [40] wieder, genau wie alle, die frisch aus dem Osten kommend mit diesen Typen zusammenstießen. Jaques La Borwits hatte zweifellos seine Vorzüge, aber die haben schließlich auch submikroskopische Protozoen oder Köter, die um eine Hündin oder einen Knochen herumstreichen. Jaques La – o Gott, nein!
    So, wie sie aussahen, hatten sie bestimmt über Stahr gesprochen. Stahr hatte etwas angeordnet oder etwas verboten, hatte Vater vor den Kopf gestoßen oder sonst etwas Schreckliches angestellt, und da saßen sie nun – eine nächtliche Protestversammlung, einig in Auflehnung und Hilflosigkeit. Rosemary Schmiel hielt den Block in der Hand, als sei sie angetreten, den Trübsinn der Runde zu protokollieren.
    »Ich soll dich nach Hause fahren – tot oder lebendig«, sagte ich zu Vater. »Sämtliche Geburtstagsgeschenke gammeln unausgepackt vor sich hin.«
    »Geburtstag!«, stieß Jaques in größter Verlegenheit hervor. »Wie alt? Ich hatte ja keine Ahnung…«
    »Dreiundvierzig«, sagte Vater betont.
    Er war älter – vier Jahre älter –, und Jaques wusste das. Ich sah, wie er es zu späterer Verwendung in seinem Notizbüchlein festhielt. Hier läuft man ganz offen mit diesen Dingern herum. Man sieht die Einträge, die gemacht werden, ohne dass man aufs Lippenlesen angewiesen ist, und auch Rosemary Schmiel notierte reflexartig etwas auf ihrem Block. In dem Moment, als sie es wieder ausradieren wollte, bebte die Erde.
    Es traf uns nicht mit der gleichen Wucht wie Long Beach, wo die oberen Stockwerke der Geschäfte auf die [41] Straßen geschleudert wurden und kleine Hotels ins Meer hinaustrieben – aber eine volle Minute lang waren unsere Innereien eins mit den Innereien der Erde, es war, als machte sie einen alptraumhaften Versuch, unsere Nabelschnüre wieder einzufangen und uns mit einem Ruck in den Schoß der Schöpfung zurückzubefördern.
    Mutters Bild fiel von der Wand, wobei ein kleiner Safe zum Vorschein kam, Rosemary und ich tanzten, hektisch aneinander Halt suchend, in grotesken Walzerdrehungen kreischend quer durch den Raum. Jaques fiel in Ohnmacht oder verschwand jedenfalls von der Bildfläche, und Vater klammerte sich an seinen Schreibtisch und rief: »Alles okay?« Draußen erreichte die Sängerin den Höhepunkt ihres »Ich liebe nur dich«, hielt einen Augenblick den Ton und fing dann – Ehrenwort! – wieder von vorn an. Vielleicht ließ man auch nur ein Band ablaufen.
    Der Raum kam, leicht nachbebend, wieder zur Ruhe. Wir bewegten uns – einschließlich Jaques, der unversehens wiederaufgetaucht war – in Richtung Tür und wankten benommen durch das Vorzimmer auf den eisernen Balkon. Fast alle Lichter waren ausgegangen, und hier und da hörten wir Schreie und Rufe. Einen Augenblick blieben wir, auf einen zweiten Erdstoß gefasst, reglos stehen, dann betraten wir gemeinsam, wie in einer spontanen Eingebung, durch Stahrs Balkontür dessen Büro.
    Es war groß, aber nicht so groß wie das von Vater. Stahr saß in einer Couchecke und rieb sich die Augen. Als das Erdbeben kam, hatte er geschlafen und wusste noch nicht recht, ob er es nur geträumt hatte. Wir klärten ihn auf, und er fand die Sache eigentlich ganz komisch – bis die [42] Telefone anfingen zu läuten. Ich beobachtete ihn so unauffällig wie möglich. Grau vor Erschöpfung hörte er sich an, was Telefon und Diktograph zu melden hatten, aber je mehr Berichte hereinkamen, desto wacher wurde sein Blick.
    »Etliche Hauptwasserrohre sind gebrochen«, sagte er zu Vater. »Sie führen zum Aufnahmegelände.«
    »Gray dreht im Französischen Dorf«, sagte Vater.
    »Auch der Bahnhof, der Dschungel und die Straßenecke stehen unter Wasser. Was soll’s, offenbar ist niemand verletzt.« Im Vorbeigehen schüttelte er mir ernst die Hand. »Wo hast du gesteckt, Cecelia?«
    »Fährst du gleich raus, Monroe?«, fragte Vater.
    »Sobald alle Meldungen da sind. Auch eine der Stromleitungen ist ausgefallen, ich lasse Robinson kommen.«
    Er zog mich auf die Couch, und ich musste ihm noch einmal das Erdbeben schildern.
    »Du siehst müde aus«, stellte ich mütterlich besorgt fest.
    »Ja. Ich weiß abends nicht wohin, deshalb arbeite ich einfach weiter.«
    »Ich organisiere mal abends was für dich.«
    »Früher hab ich mit einer Clique Poker gespielt«, sagte er nachdenklich. »Vor meiner Heirat. Aber die haben sich alle zu Tode gesoffen.«
    Miss Doolan, seine

Weitere Kostenlose Bücher