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Die Liebe des letzten Tycoon

Die Liebe des letzten Tycoon

Titel: Die Liebe des letzten Tycoon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F. Scott Fitzgerald
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einmal Experten. Die meisten verdankten ihren Erfolg ganz anders gearteten Qualitäten. Aber in der Gruppe trägt eine Tradition auch die weniger Fähigen mit, und sie waren es zufrieden, die kunstreiche Zahlenakrobatik Stahr zu überlassen, und warfen sich dabei noch – nicht anders als Fans bei einem Footballspiel – stolz in die Brust, als hätten sie diese Leistung selbst vollbracht.
    Stahr hatte sich, wie man bald sehen wird, von dieser besonderen Fertigkeit wegentwickelt, auch wenn er bei Bedarf noch immer auf sie zurückgreifen konnte.
    Prinz Agge saß zwischen Stahr und Mort Flieshacker, dem Justitiar, und gegenüber von Joe Popolous, dem Filmtheaterbesitzer. Er hatte – verschwommen und ganz allgemein – etwas gegen Juden, versuchte aber, sich von dieser Einstellung frei zu machen. Er selbst war ein heißblütiger Mann, hatte in der Fremdenlegion gedient und die Beobachtung gemacht, dass Juden die eigene Haut nur höchst ungern zu Markte trugen. Allerdings räumte er ein, dass sie [79] in Amerika unter veränderten Gegebenheiten vielleicht anders reagierten, und Stahr war für ihn in jeder Beziehung ein ganzer Mann. Für die anderen galt das nicht unbedingt, aber Geschäftsleute waren in seinen Augen ohnehin zumeist traurige Deppen, und letztlich war für ihn noch immer das Bernadotte-Blut in seinen Adern ausschlaggebend.
    Mein Vater – ich werde ihn Mr. Brady nennen, so wie Prinz Agge, als er mir von diesem Lunch erzählte – sorgte sich um einen bestimmten Film, und als Leanbaum sich vorzeitig verabschiedete, setzte er sich auf den frei gewordenen Stuhl gegenüber von Stahr.
    »Was ist mit der Idee für den Südamerikafilm, Monroe?«, fragte er.
    Prinz Agge nahm die jäh auf sie gerichtete Aufmerksamkeit so deutlich wahr, als hätten sich zwölf Wimpernpaare in leisem Flügelschlag bewegt. Dann wurde es wieder still.
    »Den machen wir«, sagte Stahr.
    »Mit unverändertem Budget?«, fragte Brady.
    Stahr nickte.
    »Das ist unverhältnismäßig«, sagte Brady. »Die Zeiten sind schlecht, da können wir keine Wunder erwarten, keine Hell’s Angels oder Ben Hur, wo man das Geld mit vollen Händen ausgibt und alles hundertprozentig wieder reinkommt.«
    Es war wohl eine konzertierte Aktion, denn Popolous, der Grieche, nahm das Thema auf – in einer Art Kauderwelsch, das Prinz Agge an Mike Van Dyke erinnerte, nur dass Popolous es nicht darauf anlegte, seine Zuhörer zu verwirren, sondern erfolgreich versuchte, sich verständlich zu machen.
    [80] »Ist nicht annehmlich, Monroe. Ist noch angepasst an Zeit von Wohlstand. Was wir haben machen können in reichliche Jahre, kann nicht sein akzeptiergemäß jetzt.«
    »Was meinen Sie, Mr. Marcus?«, fragte Stahr.
    Alle Blicke folgten ihm den Tisch entlang, aber Mr. Marcus hatte, als schwante ihm schon etwas, dem speziell für ihn abgestellten Ober hinter ihm bedeutet, dass er aufzustehen wünsche, und lag bereits in dessen Armen wie in einem Korb. Er sah die anderen so hilflos an, dass es schwer fiel, sich Marcus abends beim Tanz mit seiner jungen kanadischen Freundin vorzustellen.
    »Monroe ist unser Produktionsgenie«, sagte er. »Ich verlasse mich ganz auf ihn, er ist mir eine große Stütze. Ich selbst habe die Überschwemmung nicht gesehen.«
    Niemand sprach, während er den Raum verließ.
    »Zwei Millionen Dollar brutto – das ist hierzulande jetzt nicht mehr drin«, sagte Brady.
    »Ist nicht«, meinte Popolous zustimmend. »Selbst wenn Sie könnten ihnen packen bei die Kopf und stoßen drauf und rein. Ist nicht.«
    »Mag sein«, sagte Stahr. Er machte eine Pause, als wollte er sich vergewissern, dass alle zuhörten. »Ich denke, wir können mit eineinviertel Millionen aus dem Sonderverleih rechnen und alles in allem mit eineinhalb Millionen. Und einer Viertelmillion im Ausland.«
    Wieder herrschte ein diesmal verblüfftes und einigermaßen ratloses Schweigen. Stahr bat den Ober, ohne sich umzudrehen, ihn mit seinem Vorzimmer zu verbinden.
    »Aber Ihr Budget?«, fragte Flieshacker. »Ihr Budget beträgt eine Million siebenhundertfünfzigtausend, wenn ich [81] mich recht erinnere. Und Ihre geschätzten Einnahmen belaufen sich auf dieselbe Summe – ohne Gewinn.«
    »Meine geschätzten Einnahmen belaufen sich keineswegs auf diese Summe«, gab Stahr zurück. »Sicher können wir nur mit eineinhalb Millionen rechnen.«
    Im Raum regte sich nichts; es war so still, dass Prinz Agge hörte, wie ein großer Aschenkegel von einer reglos in der Luft verharrenden

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