Die Liebe des letzten Tycoon
der schon weit voraus war, drehte sich um und wartete auf ihn, aber Agge konnte sich nicht losreißen.
Dem also, dachte er, eifern sie alle nach.
Plötzlich nahm Lincoln ein keilförmiges Stück Pie in die Hand und schob es sich in den Mund, und Prinz Agge hastete etwas peinlich berührt hinter Stahr her.
»Hoffentlich kommen Sie auf Ihre Kosten«, sagte Stahr, dem bewusst geworden war, dass er ihn womöglich vernachlässigt hatte. »In einer halben Stunde kommt das neue Filmmaterial, danach können Sie so viele Sets besichtigen, wie Sie wollen.«
»Ich würde lieber bei Ihnen bleiben«, sagte Prinz Agge.
»Mal sehen, was noch zu erledigen ist«, meinte Stahr. »Danach gehen wir zusammen weiter.«
Zu erledigen war eine Anfrage des japanischen Konsuls zum Kinostart eines Spionagefilms, der unter Umständen bei den Japanern nationale Empfindlichkeiten wecken konnte. Zu erledigen waren Anrufe und Telegramme. Auch Robby hatte sich wieder gemeldet.
»Jetzt weiß er definitiv, dass die Frau Smith hieß«, sagte Miss Doolan. »Er hat sie gefragt, ob sie hereinkommen und sich trockene Schuhe anziehen will, und sie hat abgelehnt. Verklagen kann sie uns also nicht.«
»Beachtlich, diese lückenlose Erinnerung. Smith… Wie weit kommt man wohl mit so einem Namen?« Er überlegte einen Augenblick. »Lassen Sie sich von der [85] Telefongesellschaft eine Liste der Smiths geben, die im letzten Monat einen neuen Telefonanschluss bekommen haben, die rufen Sie dann alle an.«
»Wird erledigt.«
[86] 8
»Tag, Monroe«, sagte Red Ridingwood. »Schön, dass Sie mal hergekommen sind.«
Stahr ging an ihm vorbei quer über die große Bühne zu dem Set, das für den nächsten Tag vorgesehen war. Regisseur Ridingwood folgte ihm, registrierte, dass Stahr ihm voranging, und erkannte das Missfallen, das sich darin ausdrückte; in seinem Metier ging es weitgehend darum, Situationen mimisch »rüberzubringen«. Was im Busch war, wusste er nicht, aber er war ein erstklassiger Regisseur und machte sich keine Sorgen. Einmal hatte sich Goldwyn bei ihm eingemischt, und Ridingwood hatte den großen Mann dazu gebracht, vor fünfzig Schauspielern zu demonstrieren, wie er sich eine Rolle vorstellte – mit voraussehbarem Ergebnis, womit Ridingwoods Autorität wiederhergestellt war.
Stahr stand am Set.
»Es taugt nichts«, sagte Ridingwood. »Egal, wie man es ausleuchtet…«
»Warum haben Sie mich angerufen?« Stahr stand jetzt ganz dicht bei ihm. »Warum haben Sie nicht mit dem Art Director darüber gesprochen?«
»Ich habe Sie nicht hergebeten, Monroe.«
»Sie wollten selbst den Projektleiter spielen.«
[87] »Entschuldigen Sie, Monroe«, wiederholte Ridingwood geduldig, »aber ich habe Sie nicht hergebeten.«
Stahr drehte sich unvermittelt um und bewegte sich in Richtung Kamera. Die Blicke einer glotzenden Besuchergruppe lösten sich kurz von der Heldin des Films, streiften Stahr und richteten sich dann mit stupider Beharrlichkeit wieder auf die Heldin. Die Besucher waren Knights of Columbus , sie hatten die Hostie in der Prozession geschaut – dies aber war ihr fleischgewordener Traum.
Stahr blieb neben dem Stuhl der Schauspielerin stehen. Sie trug ein Kleid, das so tief ausgeschnitten war, dass man den roten Ausschlag auf ihrer Brust und ihrem Rücken sah. Vor jedem Take wurden die befallenen Stellen mit einer Salbe überkleistert, die man danach gleich wieder entfernte. Ihr Haar hatte die Farbe und Konsistenz von gerinnendem Blut, aber in ihren Augen leuchteten Sterne, die sich sogar mit der Kamera einfangen ließen.
Noch ehe Stahr etwas sagen konnte, hörte er hinter sich eine beflissene Stimme:
»Brillant, die Frau! Einfach brillant!«
Das war ein Regieassistent, der damit ein delikates Kompliment anzubringen gedachte – eine Verbeugung vor der Schauspielerin, die nun ihre arme Haut nicht zu strapazieren brauchte, um sich vorzubeugen und zu lauschen, eine Verbeugung vor Stahr, der die Frau unter Vertrag genommen hatte – und eine kleine Artigkeit auch für Ridingwood.
»Alles okay?«, erkundigte Stahr sich höflich.
»Doch, ja. Bis auf die verd… Presseleute.«
Er zwinkerte ihr freundlich zu. »Die halten wir Ihnen vom Hals!«
[88] Ihr Name war derzeit ein Synonym für Luder. Sie hatte sich wohl eine jener Königinnen aus den Tarzan-Comics zum Vorbild genommen, die sich zu geheimnisvollen Herrscherinnen über ein Volk von Schwarzen aufschwingen. Für diese Frau bestand der Rest der Welt aus Schwarzen. Sie war ein
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