Die Liebe des letzten Tycoon
Kathleen tanzten.
Aus der Nähe verschwammen die verschiedenen Vorstellungen, die er von ihr hatte, einen Augenblick war sie ganz unwirklich. Meist prägt der Hinterkopf die Frau und macht sie zur Realität, aber in diesem Fall funktionierte das nicht. Stahr war noch immer wie geblendet, als sie über das Parkett tanzten bis zum äußersten Rand, wo sie durch einen Spiegel hindurch in einen anderen Ball mit anderen Tänzern gerieten, deren Gesichter nur noch von Ferne vertraut waren. In dieser neuen Umgebung fing er an zu sprechen, schnell und eindringlich.
»Wie heißen Sie?«
»Kathleen Moore.«
»Kathleen Moore«, wiederholte er.
»Ich habe kein Telefon, falls Sie darauf hinauswollten.«
[123] »Wann kommen Sie ins Studio?«
»Es geht nicht, glauben Sie mir.«
»Warum nicht? Sind Sie verheiratet?«
»Nein.«
»Sie sind nicht verheiratet?«
»Nein, und ich war es auch nicht. Aber das kann noch kommen.«
»Ist es jemand an dem Tisch da?«
»Nein.« Sie lachte. »Diese Neugier!«
Aber sie hatte sich – mochte sie sagen, was sie wollte – schon nachhaltig auf ihn eingelassen. Ihr Blick war eine Aufforderung zu einem intensiven Austausch romantischer Gefühle. Als sei ihr das jetzt bewusst geworden, sagte sie erschrocken:
»Ich muss zurück, ich habe diesen Tanz vergeben.«
»Ich will Sie nicht verlieren. Könnten wir nicht zusammen zu Mittag essen? Oder zu Abend?«
»Unmöglich.« Aber sie konnte nicht verhindern, dass ihr Gesichtsausdruck etwas anderes daraus machte. Ja, vielleicht, sagte er. Die Tür ist noch einen Spaltbreit offen, wenn du dich durchzwängen kannst. Aber eile dich – die Zeit drängt.
»Ich muss zurück«, wiederholte sie. Dann ließ sie die Arme sinken, hörte auf zu tanzen und sah ihn an, lachend und verführerisch.
»In Ihrer Nähe bekomme ich keine Luft«, sagte sie.
Sie drehte sich um, raffte ihr langes Kleid und kehrte durch den Spiegel zurück. Stahr folgte ihr. Kurz vor ihrem Tisch blieb sie stehen.
»Danke für den Tanz«, sagte sie. »Und jetzt endgültig: Gute Nacht.«
[124] Dann entfernte sie sich fast im Laufschritt.
Stahr ging zu dem Tisch, an dem man ihn erwartete, und setzte sich zu der Café Society aus der Wall Street, der Grand Street, aus Loudoun County, Virginia, und Odessa, Russland. Alle schwärmten von einem Pferd, das sehr schnell gelaufen war, und der größte Schwärmer war Mr. Marcus. Für die Juden, vermutete Stahr, war die Verehrung des Pferdes ein Supersymbol. Jahrelang waren die Kosaken beritten gewesen, und die Juden hatten zu Fuß gehen müssen. Dass die Juden jetzt Pferde besaßen, schenkte ihnen ein zutiefst beruhigendes Gefühl von Macht. Stahr tat, als hörte er zu, nickte wohl auch, wenn jemand eine Bemerkung an ihn richtete, ließ aber den Tisch hinter den Säulen nicht aus den Augen. Wenn das alles nicht so gelaufen wäre – bis hin zu dem Silbergürtel, den er mit der falschen Frau in Verbindung gebracht hatte –, hätte er wohl an ein ausgeklügeltes Komplott geglaubt. Aber dadurch, dass sie sich so entschieden verweigerte, war sie über jeden Verdacht erhaben. Denn jetzt war sie offenbar schon wieder auf der Flucht – die Pantomime am Tisch bedeutete eine Verabschiedung. Sie wandte sich zum Gehen, sie war fort.
»Da geht Cinderella«, sagte Wylie White boshaft. »Den Schuh bitte in der Regal Shoe Company, 812 South Broadway, abgeben.«
Stahr überholte sie in der langen oberen Lobby, wo Frauen mittleren Alters hinter einer Absperrung saßen und den Eingang zum Ballsaal beobachteten.
»Gehen Sie meinetwegen?«, fragte er.
»Ich wollte ohnehin weg.« Aber fast grollend fügte sie hinzu: »Die haben sich aufgeführt, als hätte ich mit dem [125] Prince of Wales getanzt. Alle haben mich angestarrt. Einer der Männer wollte mich zeichnen, ein anderer möchte sich morgen mit mir treffen.«
»Das möchte ich auch«, sagte Stahr vorsichtig. »Aber ich möchte es mehr als er.«
»Sie bedrängen einen so«, sagte sie müde. »Aus England bin ich unter anderem auch deshalb weggegangen, weil die Männer immer ihren Willen durchsetzen wollten. Ich habe gedacht, hier wäre das anders. Genügt es nicht, dass ich mich nicht mit Ihnen treffen will?«
»Normalerweise schon«, meinte Stahr. »Werden Sie mir glauben, wenn ich Ihnen sage, dass ich völlig den Boden unter den Füßen verloren habe? Ich komme mir vor wie ein Trottel. Aber ich muss Sie wiedersehen und mit Ihnen reden.«
Sie zögerte.
»Sie brauchen sich nicht wie ein Trottel
Weitere Kostenlose Bücher