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Die Liebe des letzten Tycoon

Die Liebe des letzten Tycoon

Titel: Die Liebe des letzten Tycoon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F. Scott Fitzgerald
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nicht mehr.«
    »Warum nicht? Es ist gesund. Ich dachte, alle Amerikaner schwimmen.«
    »Meine Beine sind vor… vor ein paar Jahren so mager geworden, das war mir peinlich. Ich hab auch noch anderes gemacht, alles Mögliche. Als Kind habe ich Handball gespielt und hier gelegentlich auch… ich hatte einen eigenen Platz dafür, den hat ein Unwetter weggerissen.«
    »Sie haben eine gute Figur.« Ein höfliches Kompliment, das nichts anderes besagen wollte, als dass er schmal und grazil gebaut war.
    Er wies es kopfschüttelnd zurück.
    »Am meisten Freude habe ich am Arbeiten«, sagte er. »Meine Arbeit liegt mir sehr.«
    »Wollten Sie immer zum Film?«
    »Nein. Als Junge wollte ich Büroleiter werden – der Mann, der weiß, wo alles ist.«
    Sie lächelte. »Erstaunlich. Und jetzt sind Sie viel mehr als das.«
    »Nein, ich bin immer noch Büroleiter«, gab Stahr zurück. »Da liegt meine Begabung – wenn ich überhaupt eine habe. Aber als ich es so weit gebracht hatte, merkte ich, dass niemand wusste, wo was war. Und dass man wissen muss, warum etwas da ist, wo es ist, und ob es da bleiben soll. Nach und nach haben sie mir alles aufgepackt, und das Büro war eine sehr vielschichtige Angelegenheit. Sehr bald hatte sämtliche Schlüssel ich – sie hätten nicht mehr gewusst, in [133] welche Schlösser sie passen, wenn ich sie ihnen zurückgegeben hätte.«
    Sie hielten an einer roten Ampel, und ein Zeitungsjunge krähte: »Mickey Mouse ermordet! Randolph Hearst erklärt China den Krieg.«
    »Die Ausgabe müssen wir haben«, sagte sie.
    Dann fuhren sie weiter, sie setzte den Hut gerade und rückte sich zurecht. Als sie merkte, dass er sie ansah, lächelte sie.
    Sie war wach und gelassen – Eigenschaften, die derzeit hoch im Kurs standen. Lethargie gab es übergenug – Kalifornien füllte sich mit müden Desperados. Daneben gab es angestrengte junge Männer und Frauen, die im Geist noch im Osten lebten und einen Kampf gegen das Klima führten, bei dem sie nur verlieren konnten. Es war ein offenes Geheimnis, dass es schwer war, ständig Höchstleistungen zu erbringen – ein Geheimnis, das Stahr selbst sich kaum eingestehen mochte. Allerdings wusste er auch, dass die Neuen eine Zeitlang aus einer frischen Quelle Kraft schöpfen und unverbrauchte Energien einbringen konnten.
    In freundschaftlichem Einvernehmen saßen sie nebeneinander. Mit keinem Schritt, keiner Geste hatte sie ihre Schönheit beschädigt, sie auf irgendeine Weise verbogen oder verformt. Alles war in sich stimmig. Er beurteilte sie, wie er eine Filmeinstellung beurteilt hätte: nichts Aufgesetztes, nichts Konfuses, sondern eine schöne Klarheit – in seiner Auffassung des Begriffes, die Ausgewogenheit, Feinfühligkeit und Ebenmaß einbezog. Sie war »nett«.
    Sie kamen nach Santa Monica, wo die Prachtvillen von einem Dutzend Filmstars in ein wimmelndes Coney Island [134] eingepfercht waren. Dann ging es bergab, dem weiten blauen Himmel und dem Meer entgegen, und die Küste entlang, bis der Strand als mal breiterer, mal schmalerer Streifen wieder unter den Badenden sichtbar wurde.
    »Ich baue ein Haus hier draußen«, sagte Stahr. »Viel weiter draußen. Warum ich es baue, weiß ich nicht.«
    »Vielleicht für mich«, sagte sie.
    »Vielleicht.«
    »Ich finde es fabelhaft, dass Sie ein großes Haus für mich bauen, ohne auch nur zu wissen, wie ich aussehe.«
    »Es ist nicht besonders groß. Und es hat kein Dach. Ich wusste nicht, was für ein Dach Sie gern hätten.«
    »Wir brauchen kein Dach. Angeblich regnet es hier nie. Es…«
    Sie unterbrach sich unvermittelt, und er begriff, dass eine Erinnerung sie beschäftigte.
    »Nur etwas aus der Vergangenheit«, sagte sie.
    »Was denn?«, fragte er. »Auch ein Haus ohne Dach?«
    »Ja. Auch ein Haus ohne Dach.«
    »Waren Sie dort glücklich?«
    »Ich habe mit einem Mann zusammengelebt. Lange. Zu lange. Einer dieser schlimmen Fehler, die man im Leben macht. Ich habe weiter mit ihm zusammengelebt, obgleich ich wegwollte, er hat mich nicht gehen lassen. Er hat es versucht, aber er hat es nicht geschafft. Da bin ich dann weggelaufen.«
    Er hörte aufmerksam zu, wägend, aber nicht wertend. Nichts änderte sich unter dem blaurosa Hut. Sie mochte um die fünfundzwanzig sein. Jammerschade, wenn sie noch nicht geliebt hätte oder geliebt worden wäre.
    [135] »Wir waren einander zu nah«, sagte sie. »Wahrscheinlich hätten wir Kinder haben sollen, die hätten vielleicht vermitteln können. Aber man kann keine Kinder

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