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Die Liebe des Wanderchirurgen

Die Liebe des Wanderchirurgen

Titel: Die Liebe des Wanderchirurgen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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Artikels, der die Vorherbestimmung und Erwählung behandelte.
    Er klemmte das Buch unter den Arm und strebte wieder hinaus.
    »Mannschaft vollständig angetreten, Sir«, meldete John Fox auf dem Kommandantendeck.
    »Danke, John.« Taggart stellte sich zwischen John Fox und Pigett, umfasste mit der Linken die Reling und betrachtete seine Männer, die in einem sauberen Karree vor ihm standen. Sie waren ein bunt zusammengewürfelter Haufen, aber trotzdem ganze Kerle, jeder für sich und auf seine Art. Stolz nannten sie sich
Falcons
und trugen zum Zeichen ihrer Verbundenheit ein dunkelblaues Seemannshemd, dazu eine silberne Spange in Form eines Raubvogelschnabels. Die Spange war wie ein Ritterschlag: Nur wer sich besonders ausgezeichnet hatte, durfte sie tragen.
    »Guten Tag,
Falcons!
«, brüllte Taggart.
    »Guten Tag, Captain!«, kam es lautstark zurück.
    Taggart nickte zufrieden. »Es ist mal wieder eine Andacht fällig, Männer, könnt ihr euch denken, warum?«
    Die Reaktion war freudiges Gejohle.
    Taggart hob die Hand, was zum sofortigen Ende des Freudenausbruchs führte. »Richtig, wir ziehen in den Krieg!« Dann verkündete er mit knappen Worten, worum es ging. Manch einer der Männer kannte das Ziel der Mission bereits, denn Neuigkeiten im Geschwader verbreiteten sich auf unerklärbare Weise so schnell wie die Blitze in einer Wetterwand, dennoch hingen alle wie gebannt bis zum Ende der Erklärung an seinen Lippen. »Noch Fragen, Männer?«
    Nein, keine Fragen.
    »Dann Mützen ab!«
    Die
Falcons
gehorchten, und drei Musikanten traten vor. Es handelte sich um einen Trompeter, einen Dudelsackpfeifer und einen Trommler. Sie spielten ein altes englisches Kirchenlied, dessen Melodie sich dahinzog und schließlich mit einem klagenden Ton des Dudelsacks endete.
    »Ich lese jetzt aus dem siebzehnten Glaubensartikel unserer gesegneten anglikanischen Kirche!«, rief Taggart.
    »Daher werden diejenigen, welche mit einer so herrlichen Wohltat Gottes beschenkt sind, durch seinen Geist, der zur rechten Zeit wirkt, nach seinem Vorsatz berufen; sie gehorchen der Berufung durch die Gnade, sie werden dem Bilde Seines eingeborenen Sohnes Jesus Christus gleichgemacht, sie wandeln heilig in guten Werken und gelangen endlich durch Gottes Barmherzigkeit zur ewigen Seligkeit.«
    Taggart sah auf. Da standen sie, seine Männer, blickten gottergeben und hatten den Text mit Sicherheit kaum verstanden, doch das war ihm egal. Wenn die Kerle lieber ihren Gebetsteppich ausrollten, einen indischen Tempeltanz aufführten, ihre Körper mit Götzen volltätowierten, vor Totemzeichen niederfielen, den Leviathan mit Weihwasser bespritzten oder den großen Manitu aller Indianer anriefen, dann war das ihre Sache und focht ihn nicht weiter an – solange sie es während ihrer Freiwache taten und dabei friedlich blieben. Aber Gottesdienst war im wahrsten Sinne des Wortes Dienst, und da hatte jeder zu erscheinen.
    »Sollte das jemand nicht ganz verstanden haben, sage ich es noch einmal kürzer!«, rief Taggart. »Ihr seid von Gott auserwählt, und wenn ihr heute eure Sache gut macht, winkt euch die ewige Seligkeit.«
    Erneutes Gejohle der Männer.
    »Amen!«
    »Amen«, brüllten die
Falcons.
    »Mister Fox!«
    »Sir?«
    »Klar Schiff zum Gefecht.«
    »Aye, aye, Sir!«
    Augenblicke später liefen die Männer auseinander, Pfiffe und Befehle gellten über die Decks, es herrschte eine Betriebsamkeit, als hätte jemand in einen Ameisenhaufen gestochen. Doch wer näher hinsah, erkannte Ordnung in dem Chaos: Scharfschützen kletterten in die Wanten, Seesoldaten verteilten sich über das Schiff, Kanoniere streuten Sand auf die Batteriedecks, Pulveräffchen schleppten Kugeln zu den Geschützen und bauten sie daneben pyramidenförmig auf, Läufer und Melder gingen auf ihre Posten, Matrosen füllten Löscheimer und legten Äxte bereit, um stehendes Gut kappen zu können.
    Taggart stand oben auf dem Kommandantendeck und betrachtete mit dem üblichen grimmigen Gesichtsausdruck das Treiben, während das Geschwader sich langsam der Landzunge von Cádiz näherte. Die
Elizabeth Bonaventure
und die anderen Schiffe boten einen prachtvollen Anblick. Das Meer schimmerte wie grünes Glas, nur unterbrochen von lichteren Stellen, wo die gefährlichen Sandbänke lauerten. John Fox kam aufs Kommandantendeck geeilt. »Schiff gefechtsbereit, Sir.«
    »Hm«, brummte Taggart und schaute auf den Knotenmesser, der ihm als Uhr diente, »das waren neun Minuten, nicht schlecht, aber auch

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