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Die Liebe des Wanderchirurgen

Die Liebe des Wanderchirurgen

Titel: Die Liebe des Wanderchirurgen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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der Allmächtige die Menschen mit himmlischem Donner.«
    »Mir kam es eher wie Kanonendonner vor«, sagte die Unbekannte kühl. »Wahrscheinlich Salutschüsse für irgendwen.«
    »Ihr solltet froh sein, dass es nicht die Posaunen des Jüngsten Gerichts waren, denn dann müsstet Ihr jetzt in Sünde vor Euren Schöpfer treten.«
    Die Fremde schwieg. Es war ein hochmütiges Schweigen, wie Pater Alfredo zu spüren glaubte, doch er wollte nicht ungerecht sein, deshalb sagte er: »Wie dem auch sei: Gott straft nicht nur, Gott vergibt auch. Eure häretischen Äußerungen seien Euch verziehen, meine Tochter. Aber nun bekennt Euch endlich zu Euren Sünden. Ich höre.«
     
     
     
     
     
     
     
     
     
    Pigett, der Navigator, sah der brennenden Galeere nach und sagte mit einem Schulterzucken: »Bei allem Respekt, Sir, eine solche Gelegenheit kommt vielleicht nicht wieder.«
    »Und wenn schon«, knurrte Taggart. »Es gibt auf See einen Ehrenkodex, den Ihr anscheinend nicht kennt.« Er wusste jetzt, warum er Pigett trotz all seiner Qualitäten nicht mochte. Der Mann war feige. Hilflose Gegner konnte er abschlachten, bei wehrhaften machte er sich in die Hose. Schon in der Vergangenheit hatte der Mann stets dann am Kartentisch zu tun gehabt, wenn einem an Deck die Kugeln um die Ohren pfiffen.
    Andererseits war vielleicht etwas dran an dem, was Pigett gesagt hatte. Der Kampf tobte nun schon länger als zwei Stunden, und die
Falcon
war bisher nicht mehr als ein stiller Beobachter gewesen. Die Arbeit hatten andere getan.
    Was konnte er tun?
    Ganz einfach: Drakes Befehl ausführen und die Flotte nach achtern absichern. Aber da war nichts abzusichern. Die sieben getroffenen Galeeren, die hinter die Untiefen von Puercas geflüchtet waren, ließen sich nicht blicken. Mehr tat sich dagegen voraus. Drake schien seine
Elizabeth Bonaventure,
die
Lion
und die
Rainbow
inmitten der zerstörten Armada ankern zu lassen, wahrscheinlich, um nicht von Attacken des Feindes überrascht zu werden. Vielleicht vermutete er auch einen Angriff weiterer Galeeren.
    Die Batterie am Hafen stellte mittlerweile die einzige Gegenwehr der Dons dar. Aber sie war gefährlich. Und unangreifbar. Als Taggart mit seinen Überlegungen so weit gediehen war, kam ihm etwas in den Sinn, das sich bisher im Nebel seiner Erinnerungen verborgen hatte: Oberhalb der Batterie, ganz in der Nähe der Kathedrale, gab es ein steinernes Munitionsdepot. Wenn er sich recht entsann, barg es bis unters Dach tonnenweise Pulver und Kugeln …
    »Mister Pigett!«
    »Sir?«
    »Die Stückmeister Scott und Dilling sofort zu mir!«
    Kaum eine Minute später standen die beiden Genannten auf dem Kommandantendeck. »Zur Stelle, Sir!«
    Taggart deutete ohne Umschweife nach steuerbord. »Dort auf dem Kliff seht Ihr Cádiz. Zwischen den weißgetünchten Häusern im Vordergrund und der sie überragenden Kathedrale im Hintergrund steht ein aus Felssteinen errichtetes großes Gebäude. Könnt Ihr es erkennen?«
    Scott und Dilling spähten nach oben. »Aye, Sir.«
    »Es ist ein Munitionsdepot. Ich möchte, dass Ihr es in die Luft jagt. Wenn es gelingt, dürfte die Explosion so groß sein, dass die Dons mit ihrer Batterie direkt in den Himmel fliegen.«
    »Aye, aye, Sir!« Scott und Dilling strahlten.
     
     
     
     
     
     
     
     
     
    Wieder wartete Pater Alfredo vergebens auf eine Antwort. Dies und die Tatsache, dass es draußen immer lauter krachte und donnerte, trugen nicht gerade zu seiner inneren Ruhe bei. Er musste der Posse ein Ende bereiten, und das gleich jetzt. Gleich jetzt? Schon einmal hatte sich seine Geduld ausgezahlt, und die Fremde hatte zu erzählen begonnen. Andererseits konnte das Geplänkel nicht ewig so weitergehen, zu viele unerledigte Arbeiten harrten seiner, allen voran die Predigt für den morgigen Sonntag.
    Gemach, dachte er im Stillen, gemach! Die Frucht des Geistes ist Geduld, so steht es schon bei den Galatern. Ich will deshalb langsam bis zehn zählen, wenn sie dann nicht gesprochen hat, werde ich die Uneinsichtige nach Hause schicken. Doch will ich sie vorher segnen, damit sie des Eheglücks teilhaftig werde, auch wenn sie es nicht verdient hat.
    Er blickte hinunter auf seine gefalteten Hände und begann lautlos zu zählen. Als er bei sechs angekommen war, spürte er eine sanfte Berührung im Nacken. Es war ein angenehmes Gefühl, und im ersten Moment dachte er, es handele sich um einen Windhauch, doch gleich darauf merkte er, dass es mehr war. Es war ein leichter Druck,

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