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Die Liebe des Wanderchirurgen

Die Liebe des Wanderchirurgen

Titel: Die Liebe des Wanderchirurgen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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Fahrt. Der Abstand zum Geschwader soll nicht mehr als drei Kabellängen betragen.«
    »Aye, aye, Sir!« John Fox sprang auf und eilte fort.
    Taggart erhob sich schnaufend, öffnete ein hölzernes Schapp auf der Backbordseite und holte eine Majolikadose mit der Aufschrift
Castoreum anglicum
hervor. Er hasste den Geruch von Bibergeil, aber Martin Frobisher, ein Freund und Seefahrer wie er, hatte geschworen, es gäbe nichts Besseres gegen Gelenkschmerzen. Die Indianer vom Stamm der Micmac, denen er während seiner Forschungsreisen auf dem nordamerikanischen Kontinent begegnet sei, hätten das Zeug mit großem Erfolg angewendet.
    Taggart fiel es schwer, das zu glauben, dennoch wollte er nichts unversucht lassen. Er brüllte in Richtung Tür: »Tipperton, ich will jetzt nicht gestört werden!«, und ließ die Hose herunter. Dann griff er widerwillig in die Dose und nahm eine Portion der schwarzbraunen salbenartigen Masse heraus. Während er sich die Knie einrieb, dachte er an die längst vergangenen Tage, in denen er ohne jegliche Beschwerden die Wanten hinauf- und herunterturnen konnte. Nun ja, die Zeit war eine lautlose Feile, und was nicht zu ändern war, war nicht zu ändern. Langsam wurden ihm die Knie warm, das Blut kam in Wallung, was für kurze Zeit einige Linderung versprach. Er zog die Hose wieder hoch und schloss die Gürtelschnalle. Dann warf er sich seinen alten Wachstuchmantel über, der für diese Breiten eigentlich zu warm war, und ging steifbeinig nach draußen.
    Auf dem Kommandantendeck machte John Fox Meldung: »
Falcon
wie befohlen in Fahrt, Sir. Dunc steht am Kolderstab, Geschwader läuft Kurs Südost.«
    »Danke, John, haben die Spanier sich schon blicken lassen?«
    »Bisher nicht, Sir, weit und breit nichts von den Dons zu sehen.«
    »Schön, wir werden ihnen noch früh genug begegnen.« Taggart trat an die Querreling. Er legte die Hand auf das Holz und spürte sein Schiff. Es war ein gutes, seltsam lebendiges Gefühl. Die
Falcon
war alt, aber stark. Und voll funktionstüchtig. Einen Schönheitspreis allerdings konnte sie nicht mehr gewinnen, denn durch die vielen Reparaturen, die Mister Colby, der Zimmermann, über Jahre hinweg hatte durchführen müssen, sah sie aus wie eine bunte Kuh. Taggart betrachtete die Ausbesserungen mit gemischten Gefühlen. Wie gern hätte er Colby mit der Anfertigung neuer Kniegelenke beauftragt! Genug der unnützen Gedanken …
    »Land in Sicht!« Der Ruf kam aus dem Krähennest des Hauptmasts.
    »Wo?«, bellte Taggart.
    »Steuerbord voraus!«
    »Danke.« Taggart tat so, als würde er den grauen Umriss am Horizont sehen. Niemand brauchte zu wissen, dass sein Augenlicht nicht mehr das Beste war. »Wo ist Mister Pigett?«
    »Vermutlich in seiner Kabine«, sagte John Fox.
    »Und was macht er da? Däumchen drehen?« Taggart hatte zu Pigett, seinem Zweiten Offizier, kein so gutes Verhältnis wie zu seinem Ersten.
    »Ich werde Pigett sofort holen lassen, Sir!«
    Als Samuel Pigett kurze Zeit später auf dem Kommandantendeck erschien und grüßen wollte, winkte Taggart ab. »Keine Formalitäten. Wie Ihr vielleicht bemerkt habt, ist Land in Sicht. Wir werden Cádiz anlaufen und die Dons dort stellen. Habt Ihr eine Karte von der Reede und den Kaianlagen?«
    »Potz Blitz!«, rief Pigett überrascht. »Heißt das, die Armada liegt in Cádiz, Sir?«
    »Ihr habt es erraten. Habt Ihr nun eine Karte oder nicht?«
    »Leider nein, Sir, nur eine von der Küste.«
    »Aha.« Das hatte Taggart sich fast gedacht. Er selbst hatte auch keine Karte, doch er war in jungen Jahren einmal in Cádiz gewesen und erinnerte sich lebhaft an die feurigen Mädchen und die Sehenswürdigkeiten der Stadt. Nun ja, an Letztere vielleicht nicht ganz so lebhaft. »Wenn Ihr schon keine Karten habt, Mister Pigett, lasst wenigstens alle Mann an Deck antreten, auch unsere Musikusse.«
    »Aye, aye, Sir!«
    Taggart wandte sich ab und stakste zurück in seine Kajüte, wo er ein Buch mit der Aufschrift
Articuli fidei
aufschlug, ein Werk, in dem sämtliche neununddreißig Glaubensartikel der anglikanischen Kirche niedergelegt waren. Hastig blätterte er darin und suchte eine passende Stelle für die vor jeder Schlacht übliche Andacht. Er verfluchte im Stillen die Tatsache, dass er keinen Vikar oder wenigstens einen Prediger an Bord hatte, der ihm die Arbeit abnehmen konnte, aber es half nichts, wieder einmal musste er den Gottesmann spielen. Schließlich entschied er sich für eine verkürzte Fassung des siebzehnten

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