Die Liebe des Wanderchirurgen
fragte Taggart, der es nicht mochte, wenn einer lange um den heißen Brei herumredete.
Drake überhörte den ungeduldigen Unterton. »Die Holländer kamen aus Cádiz und waren auf dem Weg nach Middelburg. Sie haben mir erzählt, dass es in Cádiz nur so von spanischen Schiffen wimmelt. Es sind so viele, dass kein Zweifel daran bestehen kann: Von Cádiz, und nicht von Lissabon, aus will Philipp seinen Seezug beginnen! Aber diese Suppe werden wir ihm versalzen!«
»An uns soll es nicht liegen«, meinte Bellingham. »Kann der Tanz wirklich jederzeit losgehen?«
»So ist es.«
»Dann sollten wir nicht warten, bis Philipp uns dazu auffordert, sondern ihm zuvorkommen«, knurrte Taggart, der sein Glas Rheinwein schon geleert hatte. »Wann schlagen wir los?«
Drake grinste. »Heute.«
Nachdem Pater Alfredo »Ich höre« gesagt und die Ohren gespitzt hatte, war er gespannt, was die Unbekannte vor Gott zu bekennen haben würde. Aber statt die
confessio
abzulegen, wie es sich gehörte, hatte sie ihn mit Fragen bedrängt, Fragen, die überflüssig waren und nicht in den Beichtstuhl gehörten. Welch seltsames Gebaren!
Gewiss, die vornehme Fremde hatte einiges über sich und ihre Ansichten preisgegeben, sie hatte erzählt, dass sie als Einzelkind aufgewachsen sei, aber daran sofort die Frage nach Pater Alfredos Kindheitstagen geknüpft. Sie hatte angedeutet, dass sie aus begütertem Hause stamme, und anschließend wissen wollen, wie hoch die Bezüge eines Priesters seien, sie hatte behauptet, die Erde sei eine Kugel, und ihn gefragt, warum die Kirche diese Meinung nicht teile, sie hatte auf den goldfunkelnden Hauptaltar sowie auf die mit Juwelen verzierten Reliquien und Monstranzen verwiesen und gefragt, ob die Zurschaustellung solcher Pracht zum Glauben erforderlich sei, sie hatte die heilige Inquisition verurteilt und ihn gefragt, warum er sich daran mitschuldig mache, sie hatte von Marias jungfräulicher Empfängnis gesprochen, diese bezweifelt und anschließend wissen wollen, wie schwer es einem Gottesmann fiele, sich der Fleischeslust zu enthalten.
Das alles und mehr hatte sie gefragt, und Pater Alfredo hatte ihr immer wieder klarzumachen versucht, dass die Beichte kein Frage-und-Antwort-Spiel war, sondern das Bekenntnis der eigenen Verfehlungen.
Ein paarmal hatte er aufstehen und das fruchtlose Gespräch abbrechen wollen, doch er war stets sitzengeblieben. Die Fremde war zweifellos eine ungewöhnliche Frau, intelligent und eloquent, aber auch unbeherrscht und angriffslustig. War sie auch gläubig? Das herauszufinden und ihr die Beichte abzunehmen, stellte eine Herausforderung dar, die Geduld und einen wachen Geist erforderte.
Er hatte sich selbst ermahnt, nicht die
acedia,
die siebte Todsünde, zu begehen, welche die Trägheit des Geistes anprangerte, dazu die Faulheit, die Feigheit, die Ignoranz. Alle diese Teufelseigenschaften wollte er sich nicht selbst vorwerfen müssen. Vielleicht hatte die Unbekannte nur Angst, sich zu offenbaren? Vielleicht wollte Gott ihn nur auf die Probe stellen? Seine Langmut? Sein Verständnis?
Er seufzte. Wie viel Zeit war mittlerweile vergangen? Eine Stunde, zwei Stunden? Im Dunkel des Beichtstuhls verlor sich das Gefühl für Zeit. Alle Sinne vereinigten sich zu einem einzigen – dem Gehör.
Er konzentrierte sich wieder auf seine Aufgabe und fragte in möglichst festem Ton: »Zum letzten Mal: Wollt Ihr nun beichten oder nicht?«
»Wie heißt Ihr eigentlich?«
»Ich bin Pater Alfredo, aber um das zu erfahren, seid Ihr nicht hier.« Pater Alfredo wurde immer unruhiger, er dachte an die Predigt, die er morgen halten wollte, und daran, dass er sie noch überarbeiten musste. Sie sollte brillant werden, denn es war eine Ehre, die Messe am Sonntag halten zu dürfen. Nicht jeder Pater durfte das, häufig taten es Höhergestellte, Berufenere und manchmal sogar der Erzbischof Antonio Zapata y Cisneros persönlich. »Wollt Ihr nun beichten oder nicht, meine Tochter?«
Ein spöttisches Lachen war die Antwort. »Ich bin nicht Eure Tochter, Pater. Wenn ich es wäre, hättet Ihr den Zölibat gebrochen, und das habt Ihr doch wohl nicht?«
Pater Alfredo erstarrte. Er war bemüht, Geduld zu üben, aber nicht gewillt, sich Unverschämtheiten anzuhören. »Ich glaube, es ist besser, Ihr verlasst jetzt das Haus Gottes«, sagte er zornig.
»Ich bin das letzte Mal als Kind zur Beichte gegangen, Pater. Und normalerweise wäre ich auch heute nicht
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