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Die Liebe in Grenzen

Die Liebe in Grenzen

Titel: Die Liebe in Grenzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronika Peters
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wenn man eine Tätigkeit in der Heimerziehung vermeiden will. Mein Vater drängte mich zu nichts, machte allenfalls zaghafte Vorschläge und zeigte sich entgegen aller Erfahrung zuversichtlich, dass sich eine Lösung finden würde.
    Â» Gönn dir eine Pause, Kind « , sagte er.
    Ich überlegte, wann er mich das letzte Mal Kind genannt hatte. Früher hätte mich das gestört, jetzt gefiel es mir. Diskret, wie er ist, hat er nicht nach meinem Freund gefragt, von dem er noch weniger weiß als Manu, nur dass es da einen Mann in meinem Leben gibt oder gegeben hatte. Er fragte auch nicht nach der Frankreichreise, über die er von mir vor drei Monaten mit einer SMS informiert worden war. An unserem letzten Abend erzählte ich ihm dann, dass es vorbei sei mit dem Mann und mit einer Weiterarbeit in sämtlichen alternativen heilpädagogischen Einrichtungen ebenfalls.
    Papas Kommentar war für seine Verhältnisse fast schon eine Rede: » Etwas in der Art habe ich mir gedacht, aber ich bin froh, dass du mich ins Vertrauen ziehst. Manchmal ist so ein klares Ende auch die bessere Lösung. Glatte Schnitte heilen schneller. Jedenfalls hoffe ich das für dich. «
    Nach einer Pause, die er für das Anzünden seiner Pfeife benötigte, schob er eine Frage nach: » War es das denn, ein glatter Schnitt? «
    Â» Doch, ja, war’s. «
    Â» Und, heilt er? «
    Â» Wird er schon noch. «
    Er legte mir die Hand auf den Kopf. Auch das hatte er lange nicht getan. Vielleicht hatte ich es auch einfach nur lange nicht zugelassen.
    Die Schachtel riecht noch nach Maronen, als ich sie öffne. Aus mehreren Schichten Seidenpapier, zusätzlich gepolstert mit zusammengerollten Pappstreifen, schäle ich einen etwa zehn Zentimeter großen Gegenstand aus rostigem Eisen heraus. Ein Scharnier mit einer Frauenhand daran. Schlanke Finger umschließen eine Kugel, halten sie in der Höhlung der Handfläche, als würde sie bei der geringsten Erschütterung zu Boden fallen. Reste von grüner Farbe blättern aus den Vertiefungen. Auf der Rückseite der mit Ornamenten verzierten Eisenplatte, die das Scharnier mit der eingehängten Hand trägt, sind zwei Stifte eingegossen, in der Mitte befand sich einmal etwas, das jetzt abgebrochen ist, vielleicht eine Halterung. Ich drehe das sonderbare Gebilde um, fasse es an der kleinen Platte an, Eisen klickert auf Eisen, die kleine Frauenhand baumelt hin und her. Dieses Ding ist beziehungsweise war offensichtlich ein Türklopfer, ein sehr alter, wunderschöner Türklopfer, wie man ihn bei einem Trödler oder auf dem Flohmarkt findet, wenn man Augen dafür hat. Augen, die mehr und anders sehen als andere.
    Â» Mach die Augen auf, Katia, und sieh hin, sieh endlich hin! «
    Â» Mach du lieber mal die Augen zu, Konrad, und ruh dich aus vom pausenlosen Hinter-die-Dinge-schauen-Wollen. «
    Aber sobald ich mich auf seine Aufforderung einließ, entdeckte ich plötzlich Dinge, für die ich vorher blind gewesen war, schöne Dinge, rätselhafte Dinge, beängstigende Dinge, bereichernd, verstörend und …
    Schluss!
    Auch nachdem ich sämtliche Bögen Seidenpapier und alle Pappstreifen auf dem Küchentisch glatt gestrichen und jeden einzelnen von beiden Seiten betrachtet habe, findet sich kein weiterer Hinweis, geschweige denn ein noch so kleiner Schnipsel erklärenden Textes. Wieder nur ein Zeichen, wieder keine Worte, sieht man von der Absenderadresse ab. Immerhin ist der Türklopfer hübsch anzusehen.
    Ãœber den Ausdruck » hübsch « hätte er jetzt einen bissigen Vortrag gehalten, hätte lamentiert, dass eine solche Bezeichnung allenfalls als ironischer Kommentar zu gebrauchen sei, man sähe doch förmlich die fleischigen Wangen und das vor Dummheit strotzende Gesicht einer Frau vor sich, wenn von ihr behauptet werde, sie sei hübsch. Ein Objekt dagegen als hübsch zu charakterisieren, hieße, es zu völliger Bedeutungslosigkeit zu verdammen …
    Ich kann ihn wieder hören.
    Vielleicht hätte er aber auch nur gelächelt, mir eine Strähne aus dem Gesicht gestrichen und gesagt: » Ja, das ist hübsch, nicht wahr? Wie du. «
    Man konnte, man kann, man wird nie wissen bei ihm.
    Nichts war, nichts ist sicher.
    Ich am wenigsten.
    Bis heute bin ich im Zweifel, ob er sich dessen bewusst war: Dass ich ihm ab einem bestimmten Punkt wenig bis nichts entgegenzusetzen

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