Die Liebe in Grenzen
schweigend. An der Stelle, an der er beim letzten Mal abgebogen war, verlangsamte ich automatisch meine Schritte, aber er schien gar nicht daran zu denken, sich zu verflüchtigen.
Wir wanderten weiter, atmeten im Gleichklang unserer Schritte, bis er abrupt anhielt und mich am Arm packte.
» Ich sehe es « , sagte er, » und du siehst es. Wir beide wissen, da ist etwas zwischen uns, etwas Besonderes, das sich nicht erklären lässt, etwas, das stärker ist als die vorgeschriebenen Grenzen. Alle Worte, die mir dafür einfallen, sind abgegriffen. «
» Ich weià nicht, wovon du redest « , sagte ich eine Spur zu scharf.
» Du lügst. «
» Dann lüg ich eben. Ich kann mit solchen Floskeln sowieso nichts anfangen. «
Ich wollte schnell weitergehen, doch er hielt mich immer noch fest.
» Wovor hast du Angst, Katia? «
Ich antwortete nicht.
Dann war da seine Hand an meinem Hinterkopf, Finger in meinem Haar, sie krallten sich regelrecht hinein, ein fester, fast brutaler Griff, der dennoch nicht schmerzte. Ich lieà mich leicht nach hinten fallen, wurde gehalten von dieser Hand, die mich zu seinem Gesicht hinzog, das schön und fordernd war.
» Ich darf das nicht. «
» Seit wann kümmert sich jemand wie du um das, was erlaubt ist? «
Diesmal lieà ich ihn im Wald stehen.
8 â Das dritte Zeichen
W aren Sie und Fräulein van Haiden nicht zu Hause, Fräulein Werner? Meine Frau und ich haben uns schon gewundert, dass Sie Ihr Päckchen nicht abholen. Es liegt seit vorgestern bei uns, aus Frankreich, sicher ein verspätetes Weihnachtsgeschenk. «
Ich fasse es nicht: Der Hausmeister, ein untersetzter Mann, den ich noch nie anders als in Latzhose und grün kariertem Hemd gesehen habe, werkelt seit einer halben Ewigkeit an der kaputten Heizung in Manus Wohnung herum und quatscht mir die Ohren voll, anstatt mich zu informieren, dass er Post für mich hat.
» Warum sagen Sie das nicht gleich? «
Ehe er antworten kann, bin ich aus der Wohnungstür gerannt, nehme je zwei Stufen auf einmal die Treppe hinunter. Vor der Hausmeisterwohnung stoppe ich, bringe meinen Atem einigermaÃen unter Kontrolle und drücke den Klingelknopf. Ich muss zweimal läuten, bis ich Schritte und das Rasseln von Metall höre. Die Hausmeisterfrau, eine kleine dünne Person in blauer Kittelschürze, die man so gut wie nie zu Gesicht bekommt, öffnet die Tür mit vorgelegter Kette.
» Katia Werner. Sie haben ein Päckchen für mich angenommen. «
Misstrauisch äugt sie durch den Türspalt, macht keine Anstalten, die Kette zu lösen.
» Ausweis? «
» Ihr Mann schickt mich, der repariert gerade bei uns oben die Heizung. «
» Möglich, aber ich kenne Sie trotzdem nicht. «
» Ich bin die Untermieterin von Frau van Haiden, vierter Stock rechts. «
» Kenne ich auch nicht. «
» Kann ich bitte einfach mein Päckchen haben? Es ist wichtig. «
» Ohne Ausweis kann ich nichts rausgeben. Da könnte jeder kommen. «
Gegen das sich zunehmend verhärtende Gesicht würde auch eine flehentliche Bitte nichts ausrichten, also höre ich auf zu betteln.
» Das ist doch pure Schikane von Ihnen, verdammt noch mal! «
Peng! Die Tür knallt zu. Mir bleibt nichts anderes übrig, als die Treppe wieder hinaufzulaufen, am Hausmeister vorbei, und den Ausweis zwischen leeren Zigarettenpackungen und Kaugummipapieren zu finden, nachdem ich den kompletten Inhalt meines Rucksacks unter seinen Blicken in die Küche gekippt habe. Treppe wieder herunterrasen, klingeln, dreimal hintereinander. Wenn diese Frau jetzt moniert, mein Pass sei seit zwei Monaten abgelaufen, werde ich im Treppenhaus zu schreien anfangen. Ich will dieses Päckchen!
Gerade als bei mir durchsickert, dass sie sich nach meiner Bemerkung mit einer gewissen Berechtigung weigern könnte, mir nochmals die Tür zu öffnen, erscheinen ihre grauen Mäuseaugen hinter der Kette.
» Bitte sehr, mein Ausweis, und entschuldigen Sie, dass ich gesagt habe ⦠Sie wissen schon. Es tut mir leid. «
Ich halte ihr meinen Pass durch den Spalt entgegen. Wenn sie die Tür zuknallt, ist meine Hand keine Hand mehr. Offensichtlich ist sie aber nicht nachtragend oder will ihre Ruhe haben, jedenfalls entfernt sie die Kette, reicht mir mein Päckchen, einen Karton von der GröÃe einer Kinderschuhschachtel. Er ist rundum mit Klebeband
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