Die Liebe in Grenzen
hatte, obwohl ich an anderer Stelle in der Lage gewesen war, ihm Kontra zu geben, laut, zornig, massiv. Er machte mich wahnsinnig mit seiner Arroganz, seiner Besserwisserei, wahnsinnig oder wehrlos, oft beides gleichzeitig.
» Was glaubst du, wer du bist?! « , hatte ich einmal ärgerlich zu ihm gesagt.
» Ich bin Konrad von Reichenbach « , hatte er erwidert, » enterbter Stammhalter eines aussterbenden Adelsgeschlechts, flüchtiger Psychopath mit Gefahrenpotenzial, Alleinunterhalter eines grünhaarigen Mädchens, begnadeter Liebhaber desselben, gern auch Reisebegleiter für den Rest unseres gemeinsamen Lebens. Such dir etwas heraus, ich werde mich bemühen, es für dich zu sein. «
» Denkst du gelegentlich auch mal nach, bevor du derartige Sprüche von dir gibst? «
» Meistens sogar. «
Er saà vor mir, mit übereinandergeschlagenen Beinen auf dem groÃen Stein, hielt seine wasserblauen Augen auf mich gerichtet, ohne auch nur ein einziges Mal den Blick zu senken. Er machte mir so etwas wie einen Heiratsantrag, von dem ich nicht einmal ahnte, dass er ernst gemeint war.
» Die Liebe wagt alles « , hat Manu einmal in einem Solo gesungen. Ich war tief berührt gewesen und wünschte mir, dies eines Tages auch zu können: Ohne Netz und doppelten Boden alles auf eine Karte setzen.
Als ich dann die Gelegenheit dazu bekam, fehlte mir genau diese Bedingungslosigkeit, mit der ich mich in die Liebe hätte stürzen müssen. Denn das hatte er bei mir glatt übersehen, trotz seiner überragenden Sehfähigkeiten: Ich kam, was die Liebe anging, ziemlich schnell an meine überraschend eng gesteckten Grenzen. Mein Vertrauen hat einfach nicht gereicht. In uns. In mich.
Wieso legt er jetzt den Faden wieder aus, streut Brotkrumen hinter sich her, lockt mich, bringt mich dazu, mir alles noch einmal vor Augen zu führen? Was sollte heute anders sein? Der Faden wird sich im Dickicht verfangen, die Vögel werden die Krumen fressen, wie mich die Angst vor der AusschlieÃlichkeit, die unser Zusammensein erfordert hätte, aufgefressen hat.
Die Zeichen können dieses oder jenes für mich bedeuten. Ich darf wählen, er hat es für mich offen gelassen. Wie fast immer.
Ich muss jetzt nichts entscheiden.
Es klingelt sehr lange, bis jemand am anderen Ende der Leitung den Hörer abhebt.
» Ja bitte? «
» Carmen? «
» Katia, Mensch, endlich! «
» Er schickt mir Geschenke. «
» Wie bitte? «
» Konrad, er schickt mir Sachen. «
» Was für Sachen? «
» Heute war es eine Hand. «
» Eine was? «
» Aus Eisen, mit einer Kugel, ein Türklopfer, nehme ich an, sieht alt aus. «
» Fatimas Hand, das kenne ich. «
» Wirklich? Woher? «
» An der Tür von Hajos Ferienhaus in Spanien hängt eine. « Ihre Stimme klingt plötzlich drängend: » Wie sieht die aus, die er dir geschickt hat? «
Möglichst detailgenau beschreibe ich ihr den Türklopfer und höre sie aufatmen: » Nein, das ist sie nicht. «
» Hast du etwa geglaubt, er hat Albrechts Ferienhaus aufgesucht und mir den Türklopfer als Trophäe geschickt? «
» Es war nur ein plötzlicher Gedanke. «
» Kennt er das Ferienhaus denn? «
» Die von Reichenbachs haben Hajo gelegentlich dort besucht, Konrad könnte einmal mitgefahren sein. «
» Was bedeutet das, Fatimas Hand? «
» Es ist ein Schutzsymbol. Fatima, die Tochter des Propheten Mohammed, hält symbolisch die Hand über das Auge mit dem bösen Blick â das ist die Kugel â und schützt so das Haus. «
» Wenn man aber kein Haus hat? «
» Bleibt es ein schönes Symbol. «
» So gesehen ⦠«
» Und was hat er sonst noch geschickt? «
» Eine Postkarte und ein Foto, alles im Lauf einer Woche. «
» Was steht auf der Karte? «
» Nichts. Sie erinnert mich an eine Geschichte, die ich ihm einmal erzählt habe, und an ein Gedicht. «
» Was ist auf dem Foto zu sehen? «
» Auch etwas gegen böse Geister. «
» Nie ein Wort dabei? «
» Nicht ein einziges. Nur wechselnde Absender. «
» Er spielt mit dir. «
» Ich weiÃ. «
Fatimas Hand. Sollte ich jemals über eine eigene Tür verfügen, habe ich jetzt schon mal etwas, das vor dem bösen Blick schützt. Ich und ein Haus, das ist wirklich ein Witz! Ich habe nicht einmal
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