Die Liebe in Grenzen
Person am Schalter ihre Wünsche vortragen: Briefmarken, Paketaufgaben, ein Einschreiben nach Kanada, ich mit dem Abholzettel.
Als ich an der Reihe bin, schiebe ich den Schein samt Ausweis der Postbeamtin zu: » Nur abholen, bitte! «
» Kennen Sie schon unser Angebot für das Konto âºGiro plusâ¹ mit kostenloser Visa-Karte und Tankrabatt? « , fragt sie.
» So weit kommtâs noch! «
» Da hätten Sie aber viele Vorteile gegenüber einem Sparkassenkonto. In diesem Faltblatt hier ⦠«
» Sie wollen nicht, dass ich ein Konto bei Ihnen eröffne, glauben Sie mir. «
Hinter mir höre ich ein Kichern. Die Frau am Schalter schnappt sich den Zettel, verschwindet in einem hinteren Raum, kehrt mit einem quadratischen Pappumschlag zurück, knallt ihn vor mir auf die Ablage und sagt, ohne mich weiter zu beachten: » Der Nächste! «
Ich spüre einen leichten Druck im Kreuz, eine Stimme fragt: » Darf ich mal durch? «
Ich habe Mühe, mich von der Stelle zu bewegen, bleibe einfach im Schalterraum stehen und starre auf den DIN -A4-Umschlag in meiner Hand. Wieder hat er grüne Tinte benutzt, die gleiche, die ich einmal bei ihm bewundert hatte, woraufhin er mir von seinem nächsten Ausflug in die Stadt ein Fässchen von ihr mitbrachte, als Zugabe einen edlen grün-schwarz gestreiften Kolbenfüller. Das aufwendig von einem Schreibwarenladen eingepackte Päckchen entdeckte ich bei Dienstbeginn in meinem Fach: Von K für K. » Alt-Goldgrün « stand auf dem kleinen Tintenfässchen, ich habe mich noch gemeinsam mit ihm über diese Farbbezeichnung lustig gemacht, obwohl ich gleichzeitig verlegen war wegen der Kostbarkeit des Geschenks.
K.R., 23 Place du Bourg de Plounez, F-22400 Paimpol, Frankreich. Bevor ich sie ganz gelesen hatte, wusste ich, wie die Adresse lauten würde, einschlieÃlich StraÃe und Hausnummer. Unauslöschlich ist sie in mein Hirn eingebrannt. Er hatte sie wie ein Mantra rezitiert, immer und immer wieder, seinen Kopf dabei in meinem SchoÃ, meine Hände in seinem Haar.
» Hör endlich auf, Konrad, das hört sich wie ein bescheuerter Tick an. «
» Richtig, das fehlt mir noch, ein passabler Tick. Das würde meinen alten Herrn sicher freuen. Und den Professor erst! «
» Martins Bruder hält dich für leidlich normal und unternimmt alles, um dich dem Zugriff deines Vaters zu entziehen, das weiÃt du genau. «
» Vielleicht wird es langsam Zeit, dass ich das selbst übernehme, was meinst du? «
Vielleicht war die spätere Eskalation nichts als ein Anschub, der ihm das zu tun ermöglichte, was er mir gegenüber » Meine Trumpfkarte ziehen « genannt hatte. Er hatte es vor, lange bevor er mich kannte, er brauchte mich gar nicht dazu. Ich machte den verrückten Traum nur zu einer realen Option, denn aufgebrochen, um endlich all den Wahnsinn hinter sich zu lassen, ist er zwar für mich, wegen mir, mit mir. Weitergegangen ist er jedoch allein.
Jetzt ist er angekommen.
Ohne mich.
Ich sollte mich für ihn freuen.
DrauÃen vor der Post wartet Manu, macht mit zusammengepressten Knien kleine Hüpfer, als sie mich in der Drehtür entdeckt.
» Wieso hat das so lange gedauert? «
Ich weise stumm auf die Schlangen vor den Schaltern und drücke den Umschlag an mich.
Im » Birken-Café « ist es relativ leer an diesem Vormittag, Manu rennt sofort Richtung Toilette, ich suche uns derweil einen Platz am Fenster, bestelle zwei Tassen Espresso. Möglichst rasch will ich den Umschlag öffnen, bin aber trotzdem nicht schnell genug. Schon weht mich eine Wolke von Manus Parfum an, schallt es in meinen Nacken:
» Was ist das? «
» Herrje, Manu, hast du im Flug gepinkelt? «
» Ich kann auch gehen, wenn du lieber ⦠Hey, sind das Originalzeichnungen? «
» Sieht so aus. «
Manu lässt sich in den Sessel neben mir fallen.
» Zeig mal her. Ist ja irre! «
Ich halte den kleinen Papierstapel, den ich aus dem Umschlag gezogen habe, so, dass sie die Skizzen auch anschauen kann.
» Von ihm? « Ich nicke. Natürlich errät Manu sofort, wer mir die Zeichnungen geschickt hat.
» Der mit dem Fischernetz, ist er das? « , fragt sie.
» Nein, das ist wohl Marcel. «
» Marcel? «
» Ein Freund von ihm, Bretone, sie kennen sich seit Kindertagen, sind oft gemeinsam gesegelt, sind im Meer geschwommen, brachen wilde
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