Die Liebe in Grenzen
dann mit der Zeichenmappe unter dem Arm und der groÃen Reisetasche über der Schulter in Richtung Bahnhof gewandert. Die zwei Nächte bis zur Abreise der Ostseeurlauber hätte er in einer Pension nahe Alsfeld verbracht, um dann zu mir zurückzukehren, sobald er sicher sein konnte, dass alle weg wären.
» Warum hast du mich nicht eingeweiht? «
» Um dir deine Unschuld zu bewahren. «
» Aber was, wenn sie deinen Professor anrufen, um sich zu vergewissern? Das könnte dir gehörigen Ãrger bereiten. «
» Sollte man mich durchschauen, werde ich meinen Psychobonus ins Spiel bringen und Andrasch auf meine Seite ziehen. Er gefällt sich darin, antipsychiatrische Sprüche zu klopfen und wohltätig zu einem armen Opfer wie mir zu sein. «
» Es könnte dich aber auch deine Wohnung in der Mühle kosten. «
» Und dich deinen Job. «
Statt Teil seiner Pläne zu werden, wäre die einzig richtige Reaktion meinerseits gewesen, umgehend Carmen oder Martin zu verständigen. Ich aber schlug widerspruchslos mein Lager bei ihm in der kleinen, mit Büchern und Zeichnungen vollgestopften Zweizimmerwohnung auf, und Lenas Sommerstrauà verwelkte im Bauwagen, ohne dass ich ihn weiter beachtete. Ich ergab mich blind und wehrlos. Ich wollte diesen Zustand so lange wie möglich aufrechterhalten, denn im Grunde ahnte ich, dass wir nicht mehr als diese gestohlenen Tage haben würden. Und weil es sowieso keine Zukunft für uns gab, entlieà ich mich aus der Verantwortung, beschloss, den Augenblick zu genieÃen.
Im Haupthaus walteten die Installateure mehr oder weniger unbeaufsichtigt, wir sicherten uns den Rest des Geländes: ohne Auflagen, ohne VorsichtsmaÃnahmen, ohne Einschränkungen. Nur um die Tiere und Pflanzen kümmerten wir uns. Die Pferde wurden auf die Weide gelassen, gestriegelt und longiert, die halbwilden Streunerkatzen mit Wasser und Nahrung versorgt, die Gewächse in den Treibhäusern sowie die Blumenkübel auf dem Gelände gewässert. Immer machten wir alles zusammen. Gelegentlich gingen wir nach der Morgenfütterung wieder ins Bett, meist aber blieben wir drauÃen in der Nähe der Tiere. Wir spielten ein glücklich-sorgloses Paar: Er kochte für mich, während ich ihm aus der Zeitung vorlas, wir lagen stundenlang in der Sonne auf der Koppel, mein Kopf auf seinem Bauch oder umgekehrt. Wir erzählten uns Geschichten, ich las ihm Gedichte vor, die er spätestens am nächsten Tag auswendig rezitierte, oft sah ich ihm beim Zeichnen zu. Wir taten so, als hätten sämtliche Auseinandersetzungen der vergangenen Monate nie stattgefunden. Wir waren allein auf der Welt, alle Versteckspiele vergessen.
Die Bäckerin wunderte sich, dass ich es beim Brötchenholen neuerdings so eilig hatte, dass ich nicht einmal Zeit für einen Kaffee an meinem Morgensonnenplatz fand. Die gelegentlichen Anrufe bei Lena oder Carmen, bei denen ich versicherte, alles sei in bester Ordnung, fielen so knapp aus, dass Carmen sich Sorgen um mich machte.
» Geht es dir wirklich gut? Fühlst du dich nicht einsam in der Mühle? «
» Es ist mir selten besser ergangen « , erklärte ich.
» Du brauchst auch nicht über Nacht bleiben. Wirklich, wenn die Tiere abends versorgt sind, kannst du nach Hause gehen. «
» Danke, aber ich bin gern hier, auch nachts, es ist wie Urlaub auf dem Bauernhof. «
» Hast du was von Konrad gehört? «
» Nein. Wie kommst du darauf? «
» Nur so. «
Nicht dass ich mich dabei wohlfühlte, Carmen zu belügen. Sie hatte das nicht verdient. Aber weil ich wusste, dass alles bald vorbei sein würde, wollte ich jede Minute mit Konrad ohne den Zwang zur Rechtfertigung auskosten.
Nach einer geradezu vollkommenen Woche bekamen wir Gesellschaft: Es war kurz nach der Morgenfütterung, als ich unweit der Stelle, an der wir die Näpfe für die Katzen hinstellten, den riesigen Hund entdeckte und stumm mit dem Finger auf ihn zeigte. Konrad drängte mich sanft hinter sich, trat dann einen Schritt auf das erbärmlich aussehende Wesen zu, das sich sofort duckte, die Ohren anlegte, knurrte und die Zähne fletschte.
» Mach ein paar Schritte rückwärts, dreh dich dann langsam um und geh ohne Hast zum Haus. Ich lenke ihn ab « , flüsterte er, während er sich in die Hocke sinken lieÃ.
» Bist du verrückt, der greift gleich an. «
» Der
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